24.11.2023 | Rund 2.000 Industrie-Beschäftigte und ihre Betriebsräte haben heute vor dem Bundesfinanzministerium für einen Brückenstrompreis zum Schutz ihrer Arbeitsplätze demonstriert.
Auf der gemeinsamen Kundgebung von IG Metall und IGBCE forderten sie Bundesfinanzminister Christian Lindner auf, die Haushaltsmittel für den grünen Umbau der energieintensiven Industrien frei zu geben. Eine Haushaltssperre nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gefährde Arbeitsplätze, betonten IG Metall und IGBCE.
An der Kundgebung beteiligten sich Industrie-Arbeiter*innen aus den Branchen Metall, Stahl und Elektro sowie Chemie und Energie aus sieben nord- und ostdeutschen Bundesländern (Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg). Tahlreich vertreten waren auch Vertrauensleute der Volkswgenstandorte. Auch an vielen weiteren Orten in Deutschland gehen Beschäftigte an diesem Aktionstag von IG Metall und IGBCE für den Brückenstrompreis auf die Straße, so in Duisburg oder im sächsischen Gröditz.
Luigi Catapano von der Vertrauenskörperleitung Volkswagen Wolfsburg: „Die Folgen des Klimawandels sind weltweit spürbar. Die extremen Wetterlagen häufen sich. Dieser Entwicklung müssen wir entgegenwirken. Deshalb haben wir uns bei Volkswagen für den Umbau hin zur Elektromobilität entschieden. Diesen Weg gehen wir mit der Belegschaft und dem Vorstand der Volkswagen AG gemeinsam. Es ist ein Weg in eine neue Zukunft, der aber auch mit Sorgen und Nöten bei den Menschen, die bei uns arbeiten, verbunden ist. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Politik durch ihre Haltung zum Brückenstrompreis diese Sorgen noch verstärkt. Wir brauchen eine Brücke beim Strompreis, bis genügend grüner Strom zur Verfügung steht. Hierzu müssen wir jetzt Geld anfassen. Wer jetzt sparen will, gefährdet wichtige Investitionen in Zukunftstechnologien und damit den Industriestandort Deutschland. Die Schuldenbremse darf der Finanzierung des ökologischen Umbaus nicht im Wege stehen. Das ist gut investiertes Geld in die Zukunft kommender Generationen!“
Matthias Disterheft, Geschäftsführer und Kassierer der IG Metall Wolfsburg: „Unsere Unternehmen stehen in einem Standortwettbewerb, der so knallhart geführt wird, wie lange nicht. Die hohen Energiepreise wirken von der einen Seite, die Notwendigkeit von Zukunftsinvestitionen in die Transformation der Produktion erhöhen den Druck von der anderen Seite. Die Standort- und Investitionsentscheidungen werden aber nicht in irgendeiner fernen Zukunft getroffen, sondern jetzt. Für den Übergang brauchen wir als Brücke eine Dämpfung der Energiekosten, die an Bedingungen geknüpft sein sollte: Profitieren sollten nur Unternehmen mit Tarifbindung, Standort- und Beschäftigungssicherung sowie Investitionen in die Transformation.
Wenn sich der Strompreis weiterhin zur Bremse für Investitionen in Zukunftstechnologien entwickelt, drohen Unternehmenspläne zu platzen, Betriebe abzuwandern und hunderttausende gut bezahlte und tariflich gesicherte Arbeitsplätze verloren zu gehen. Das würde einen erheblichen Verlust für die deutsche Wirtschaft bedeuten und zigtausende Familien in Wolfsburg und der Region in eine existenzielle Schieflage bringen.“
Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall: „Wir befinden uns an einem historischen Wendepunkt. Jetzt entscheidet sich, ob Deutschland ein starkes Industrieland bleibt oder im internationalen Wettbewerb zurückfällt. Damit das nicht passiert, braucht es jetzt schnell einen zeitlich begrenzten Brückenstrompreis. Nur so kann die Grundstoffindustrie weiter in Deutschland produzieren und gleichzeitig in ihren Umbau hin zur Klimaneutralität investieren. Und nur so erhalten wir geschlossene Wertschöpfungsketten und damit gute Arbeitsplätze weit über die Grundstoffindustrie hinaus. Die Frage der Finanzierung stellt sich seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit aller Härte. Langsam sollte auch dem letzten klar sein: Die Schuldenbremse ist eine Zukunftsbremse. Der grüne Umbau unserer Industrie ist ein Jahrhundertprojekt, von dem nicht weniger als der Wohlstand in Deutschland abhängt. Alle politischen Kräfte müssen jetzt Verantwortung übernehmen und die Finanzierung der Transformation sicherstellen.“
Hintergrund zur Forderung: Die IG Metall und die IGBCE setzen sich dafür ein, den Industriestrompreis befristet durch staatliche Mittel auf ein Niveau zu senken, mit dem energieintensive Unternehmen im europäischen Wettbewerb bestehen können. Die Staatshilfe soll es nur für tarif-und standorttreue Unternehmen geben. Gedacht ist sie als Brücke, bis genügend erneuerbare Energien zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung stehen. Das von der Koalition beschlossene Strompreispaket greift zu kurz. Zudem ist die Finanzierung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse ungeklärt. IG Metall und IGBCE fordern eine Nachbesserung durch den Brückenstrompreis und eine gesicherte Finanzierung aus dem Bundeshaushalt.