Bundesmigrationskonferenz in Sprockhövel

Vielfalt wertschätzen

07.05.2014 | Mit einer bunten Aktion haben die Migranten in der IG Metall auf sich aufmerksam gemacht. Am Rande der Bundesmigrationskonferenz in Kassel waren etwa 200 Teilnehmer vor den Bahnhof gezogen. Sie forderten, das kommunale Wahlrecht für alle einzuführen und die Optionspflicht für Migranten abzuschaffen.

Vertraten den Migrationsausschuss der IG Metall Wolfsburg in Sprockhövel: (v.l.n.r.) Franco Garippo (Migrationsausschuss Wolfsburg), Anna Palermo (Jugend- und Auszubildendenvertretung Volkswagen), Christiane Benner (geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall), Petra Wlecklik (IG Metall-Vorstand) und Giuseppe Gianchino (Migrantenvertretung Volkswagen).

Unterstützt wurden sie dabei von dem Frankfurter Hip-Hop-Duo "Azzis mit Herz". Der Botschafter der Initiative "Respekt!" Kwamena Odum sorgte auf der Bühne für Glanz und Schwung. Auch die Schirmfrau der Respekt!-Initiative, die ehemalige Fußballnationalspielerin Sandra Minnert, war gekommen, um die Metaller zu unterstützen.

Mit dabei waren auch die Wolfsburger Delegierten Anna Palermo, Franco Garippo und Giuseppe Gianchino vom Migrationsausschuss der IG Metall Wolfsburg.

Erst sagen wir "integriert euch", dann nehmen wir ihnen den Pass weg

Das deutsche Recht trägt schon absurde Züge. Ein Rumäne, der seit fünf Monaten in Deutschland lebt, darf den Bürgermeister wählen, weil er EU-Bürger ist. Ein türkischer Migrant, der seit Jahrzehnten hier ist, arbeitet und Steuern zahlt, hat dieses Recht nicht. Das ist ungerecht.

Ein anderes Beispiel: Der in Deutschland geborene Sohn italienischer Eltern bekommt die deutsche Staatsbürgerschaft und kann seine italienische behalten. Warum? Weil das EU-Recht es ihm erlaubt. Stört es jemanden? Kein Mensch nimmt daran Anstoß, und das ist auch gut so. Einem in Deutschland geborenen Türken bleibt das verwehrt, weil er kein EU-Bürger ist. Das ist ungerecht.

Doch es kommt noch schlimmer: Er muss sich bis zu seinem 23. Lebensjahr entscheiden, ob er die Staatsangehörigkeit seiner Eltern ablegt und Deutscher bleibt. Tut er das nicht, verliert er die deutsche Staatsangehörigkeit wieder, die er mit seiner Geburt erworben hat. Das nennt sich dann "Optionspflicht".

Doch das Signal an diese jungen Menschen ist fatal. Es lautet: Ihr gehört hier nicht dazu. Petra Wlecklik vom IG Metall-Vorstand sagt dazu: "Wir können den Menschen nicht sagen, ihr sollt euch integrieren und ihnen dann den Pass wegnehmen." Das ist ungerecht.

Deutschland ist ein Einwanderungsland

Und es ist eine sinnlose Schikane. Bereits jetzt leben in Deutschland 4,5 Millionen Menschen mit zwei Staatsangehörigkeiten. Das schadet keinem und tut niemandem weh, erläutert Thorsten Jäger vom Interkulturellen Rat. Er sagt: "Das ist absurd, dass Menschen, die in Deutschland geboren sind, sich zwischen zwei Staatsangehörigkeiten entscheiden müssen." Deutschland ist ein Einwanderungsland, und er wünsche sich eine Politik, die die Realitäten anerkennt.

Dieser Ansicht war auch der Oberbürgermeister der Stadt Kassel, Bertram Hilgen. "Es war eine der großen Lebenslügen, das zu leugnen", sagte das Stadtoberhaupt bei einer abendlichen Podiumsdiskussion. Hilgen ist sich sicher, dass sich diese Erkenntnis weiter durchsetzen und den Migranten eines Tages das kommunale Wahlrecht bringen wird.

Ein Wahlrecht - soviel ist klar - haben alle. Sie können dank des Betriebsverfassungsgesetzes unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit den Betriebsrat wählen. Die positiven Erfahrungen aus den Betrieben zeigen: Es geht. Und einen Rat an die Migranten gab Marianne Balle-Moudoumbou auf den Weg: "Einer der ersten Schritte zur politischen Beteiligung ist, Mitglied in der Gewerkschaft zu werden. Hier kann man sich beteiligen, mitbestimmen und bekommt Informationen."

Die Konferenz befasste sich in acht verschiedenen Foren u.a. mit den Themen Vielfalt gestalten und damit das Aus- und Weiterbildung gerecht gestaltet wird. Auch waren die Flüchtlingspolitik und die Situation nach dem NSU-Ausschuss in der Diskussion.

Das Fazit der Wolfsburger Delegierten war eindeutig. Eine wichtige Konferenz mit den passenden Themen zur richtigen Zeit. "Europa muss zusammenwachsen, wir dürfen jetzt nicht stehen bleiben auf unserem Weg zu einer europäischen Staatsbürgerschaft. Die Grenzen in den Köpfen müssen endlich fallen!", resümierte Franco Garippo die Konferenz.

Anna Palermo und Giuseppe Gianchino ergänzten, "dass es wichtige Impulse für die tägliche Arbeit in Betrieb und Gesellschaft gegeben hat".