Die SBV - aktiv für behinderte Menschen im Betrieb

Ohne SBV schaut niemand genau hin

10.06.2014 | Niemand wünscht sich eine Behinderung. Einem behinderten Menschen kann jedoch jeder eine Schwerbehindertenvertretung (SBV) wünschen. "Ohne SBV machen sich die meisten Arbeitgeber erst gar nicht die Mühe, nach einer Alternative für einen behinderten Menschen zu schauen", weiß Klaus Wenzel, seit 2006 SBV-Vertreter bei Volkswagen.

Für die schwerbehinderten Menschen in den Betrieben da: Klaus Wenzel, von der Gesamt- und Konzernschwerbehindertenvertretung von Volkswagen, Dieter Pfeiffer, Fachsekretär bei der IG Metall Wolfsburg, und Gianluca Iannella, Schwerbehindertenvertreter bei der AutoVision (Foto IG Metall).

Vom 1. Oktober bis 30. November 2014 finden in Betrieben mit mindestens fünf schwerbehinderten oder gleichgestellten Beschäftigten die nächsten Wahlen der Schwerbehindertenvertreter statt.

Wählen können alle, die einen Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent haben. "Kolleginnen und Kollegen mit einem Behinderungsgrad von 30 Prozent können zudem einen Antrag auf Gleichstellung bei der Agentur für Arbeit stellen", sagt der zuständige Gewerkschaftssekretär Dieter Pfeiffer. Die Betroffenen sind dann nicht nur  wahlberechtigt, sie haben dann auch den besonderen Schutz, den das Gesetz behinderten Menschen gewährt. Ob dem Antrag zugestimmt wird, liegt an der jeweiligen Behinderung und dem Arbeitsplatz. "Jeder Fall muss individuell geprüft werden", sagt Dieter.

Interessante Aufgabe

Gianluca Iannella, der selbst durch einen genetischen Defekt behindert ist, vertritt in der AutoVision seit 2010 die Schwerbehinderten. "Die Aufgabe wird jeden Tag interessanter", meint Gianluca. Er könne sehr viel für seine Kolleginnen und Kollegen erreichen. "Manche haben Angst, ihren Arbeitsplatz bei Bekanntwerden ihrer Behinderung zu verlieren. Doch diese Angst ist unbegründet, durch das Gesetz wird der Arbeitsplatz oft stärker geschützt als vorher", erklärt der gebürtige Italiener. Behindertengerechte Toiletten, abgesenkte Bordsteine oder die Beschilderung der Toiletten mit Schildern, die im wahrsten Sinn des Wortes für Blinde und Sehbehinderte begreifbar ist, gehört noch zu den leichtesten Übungen der SBV. Die Beratung und Betreuung der einzelnen Kollegen ist daneben häufig eine große und auch emotionale Herausforderung: "Jeder hat sein Einzelschicksal, und manchmal können wir leider nicht helfen", räumt Klaus ein.

Große Anerkennung

Den meisten könne die SBV jedoch helfen. Die Freude und Dankbarkeit der Kolleginnen und Kollegen seien ihm ein großer Lohn für seinen Einsatz: "Wenn ich beim Einkaufen angesprochen werde, dass die Einrichtung des behindertengerechten Arbeitsplatzes geklappt hat, das berührt mich immer wieder." Wer an Behinderte denkt, der denkt oft sofort an Rollstuhl – doch weit gefehlt: "Den meisten sieht man ihre Behinderung nicht an", sagt Dieter. Und Klaus ergänzt: "Von Geburt an sind gerade sieben Prozent der Betroffenen behindert, alle anderen trifft es erst im Laufe ihres Leben durch Krankheiten und Unfälle."

Vor allem psychische Krankheiten wie Depressionen, aber auch Schlaganfälle und Herzinfarkte würden immer häufiger vorkommen, und die Betroffenen würden immer jünger werden. Volkswagen bietet aufgrund der Größe viele Möglichkeiten, den Beschäftigten trotz Behinderung einen geeigneten Arbeitsplatz zu bieten. "Einige Kollegen können zum Beispiel nicht in Gruppen arbeiten, für sie haben wir Einzelarbeitsplätze organisiert", erzählt Klaus. Kleinere Betriebe haben diese Möglichkeiten oft nicht – aber noch häufiger wissen kleinere Unternehmen nicht, welche Möglichkeiten auch sie haben. "Ohne SBV schaut oft niemand genau hin, was alles machbar ist", kritisiert Gewerkschaftssekretär Dieter Pfeiffer.

SBV dient allen

"Viele Arbeitgeber wissen gar nicht, dass öffentliche Stellen bis zu 80 Prozent der Kosten für die Einrichtung eines behindertenge-rechten Arbeitsplatz ünernehmen", sagt Gianluca Iannella. Er ist überzeugt, dass eine gut funktionierende und anerkannte SBV nicht nur den Behinderten, sondern auch allen anderen Kollegen und auch dem Unternehmer zugute kommt. Und Klaus betont: "Der Job muss stimmen, dann bringen die Behinderten 100 Prozent und mehr Leistung." (poe)