Wann, wenn nicht jetzt?

Frauen in der Corona-Krise stärken!

12.06.2020 | Die Gleichstellungsbeauftragten der Landkreise und kreisfreien Städte in der Region Braunschweig unterstützen bundesweiten Aufruf – in Wolfsburg schließen sich außerdem die IG Metall sowie die Koordinierungsstelle Frau und Wirtschaft an.

Corona hat das Leben in Deutschland und weltweit grundlegend verändert. Es wird deutlich, dass Frauen wesentlich stärker von den Auswirkungen der Pandemie betroffen sind. Alle gleichstellungspolitischen Schieflagen, auf die besonders die Gleichstellungs-beauftragten und Interessensvertretungen immer wieder hingewiesen haben, verschärfen sich jetzt.
Frauen tragen aktuell die Lasten in der Corona-Krise und sind für die Aufrechterhaltung der notwendigen Infrastruktur unabdingbar. Sie arbeiten zu häufig in den noch immer zu niedrig bezahlten sozialen Berufen, wie z.B. in der Kranken- und Altenpflege, als Kassierer*in in den Supermärkten oder als Erzieher*in in den Kindertagesstätten.

Es handelt sich hierbei um wichtige und systemrelevante Berufe, zu denen auch Mitarbeiter*innen in den Küchen, den Wäschereien, in der Verwaltung der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen gehören. Außerdem betreuen viele Frauen zuhause im Homeoffice ihre Kinder, weil die Kindertagesstätten und Schulen teilweise noch immer geschlossen sind. Das führt dazu, dass Frauen sich für längere Zeit aus der Erwerbsarbeit zurückziehen und dadurch traditionelle familiäre Arbeitsteilung mit ihren geschlechterstereotypischen Rollenbildern verfestigt werden.

„Die Corona-Krise hat die Gleichstellungsarbeit um Jahrzehnte zurückgeworfen! Es ist nicht akzeptabel, dass überwiegend Frauen die Betreuung der Kinder mit den beruflichen Anforderungen vereinbaren müssen. Dadurch verfestigen sich Rollenklischees, welche modernen sowie gleichgestellten Entwürfen von Familie und elterlicher Verantwortung im Weg stehen.“, erläutert Antje Biniek, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Wolfsburg.

„Das bestätigt sich auch tagtäglich in den persönlichen Beratungsgesprächen der Koordinierungsstelle Frau und Wirtschaft. Hier wurde z. B. von einer Frau schweren Herzens ein Fernstudium abgebrochen, weil der notwendige Freiraum für das Studium durch die erforderliche 24 Std. Kinderbetreuung nicht mehr vorhanden war. Nicht nur das, sondern auch Stellenzusagen werden ausgesetzt oder sogar ganz zurückgenommen. Hier fehlt dann nicht nur die berufliche Perspektive, sondern es gehen uns wieder Fachkräfte verloren, die wir eigentlich doch so dringend brauchen!“ berichtet Bettina Klim, Leiterin der Koordinierungsstelle Frau und Wirtschaft, aus der aktuellen Arbeit.

Auch die IG Metall fordert deshalb eine stärkere Unterstützung für Berufstätige in der Corona Krise. Die Krise trifft laut einer Studie (WZB) erwerbstätige Eltern besonders stark, und am stärksten die Mütter. „Mit Homeoffice, Homeschooling und Haushalt tragen vermehrt Mütter die Hauptlasten. Wenn angesichts der Dauerbelastung ein Elternteil beruflich kürzertritt, sind es häufig die Mütter, die ihre Erwerbstätigkeit reduzieren. Der Gender Pay Gap (Gehaltsunterschied) führt somit in die weitere Benachteiligung. Das hat auch negative Folgen für die Einstiegs- und Aufstiegschancen. Das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss gerade jetzt verstärkt in den Fokus rücken. Hier bedarf es weiterer Unterstützung“, fordert Sandra Bollen, IG Metall Wolfsburg.

Wann, wenn nicht jetzt werden frauen- und gleichstellungspolitischen Forderungen ernst genommen und umgesetzt?
Zahlreiche Frauenverbände und Gewerkschaften aus ganz Deutschland wenden sich mit gleichstellungspolitischen Forderungen an die Bundesregierung und Arbeitgeber*innen.

Bettina Klim (Koordinierungsstelle Frau und Wirtschaft), Sandra Bollen (IG Metall Wolfsburg) und Antje Biniek (Gleichstellungsbeauftragte Stadt Wolfsburg) schließen sich diesem bundesweiten Aufruf mit folgenden Forderungen an:

  • Gesellschaftliche und finanzielle Aufwertung der Berufe in Pflege, Gesundheitswesen, Erziehung und Einzelhandel sowie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen
  • Die Abschaffung der Sonderregelungen für geringfügig Beschäftigte
  • Steuer-, Sozial -und Familienleistungen so abzustimmen, dass sie zu einer finanziellen Verbesserung für Frauen, insbesondere für Alleinerziehende führen
  • Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Akzeptanz für flexible Arbeitszeiten schaffen, so dass beide Eltern sich die Care-Arbeit gerecht teilen können

Alles, was wir seit Jahren fordern, erscheint unter den Bedingungen der Corona-Pandemie wie unter einem Brennglas. Es ist also ein guter Zeitpunkt für Politik und Arbeitgeber*innen, die gleichstellungspolitischen Schieflagen ernst zu nehmen und bei der Umsetzung der Forderungen ein ebenso engagiertes, sachbezogenes, mutiges und zeitnahes Handeln wie jetzt in der Corona-Pandemie zu zeigen.