Interview mit Debora Aleo und Nina Zach

Charta der Ausbildung bei Volkswagen

02.12.2013 | Die WIR sprach mit Debora Aleo und Nina Zach über die Charta der Ausbildung bei Volkswagen.

Nina Zach

Debora Aleo

WIR: Anfang November fand die erste internationale Jugendkonferenz von Volkswagen statt. Wie kamt ihr auf die Idee, diese Konferenz zu veranstalten?

Debora Aleo: Wir nehmen seit November 2012 an einer Ausbildungsreihe des IG Metall-Vorstandes teil, die sich „Internationales Projektmanagement“ nennt. Ziel ist es, junge Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in Lateinamerika zu fördern und betriebliche Projekte auf internationaler Ebene zu organisieren. Deshalb waren wir im November 2012 in São Paulo und haben uns über die Gewerkschaftsstrukturen in Brasilien informiert. Wir hatten dabei auch die Chance, uns das VW-Werk in Anchieta und vor allem die Ausbildungswerkstatt anzuschauen. Im Gespräch mit Vertrauensleuten sind uns viele Unterschiede und Probleme in der Ausbildung aufgefallen. Und so kamen wir auf die Idee, eine Konferenz zu machen, um gemeinsam Forderungen für die Jugend aufzustellen.

Nina Zach: Und als wir dann im August 2013 in Buenos Aires waren und das VW-Werk in Pacheco besichtigt haben, wurden wir in unserer Idee bestätigt. Es gibt keine gemeinsamen Standards!

WIR: Welchen Teilnehmerkreis habt ihr zu der Konferenz eingeladen und wieso?

Debora Aleo: Erstmal war uns wichtig, dass wir eine Konferenz von der Jugend für die Jugend machen. Deshalb wollten wir Teilnehmer, die in der Ausbildung bei Volkswagen sind oder eine abgeschlossen haben und die unter 30 Jahre alt sind. Aufgrund des schon bestehenden Kontaktes mit Lateinamerika haben wir uns auf die Werke in Brasilien, Argentinien und Mexiko beschränkt und natürlich die Gesamtjugendvertretung (GJAV) aus Deutschland eingeladen. Wir haben auch darum gebeten, möglichst aus jedem Land eine Frau zu schicken. Zumindest in Brasilien und Deutschland hat das geklappt.

Nina Zach: Zusätzlich haben wir auch Gewerkschaftsvertreter aus den Ländern eingeladen. Das war uns besonders wichtig, damit die Gewerkschaften auch von Anfang an im Boot sind. Wenn die Charta der Ausbildung umgesetzt und ausgehandelt wird, brauchen wir starke Gewerkschaften, die dabei unterstützen. Deshalb haben wir Vertreter der SITIA VW aus Mexiko, Vertreter der SMATA aus Argentinien und Vertreter von CUT und der Forza Sindical aus Brasilien zur Konferenz eingeladen. Für Deutschland war natürlich die IG Metall Wolfsburg vertreten, aber auch Vertreter von Bezirk und Vorstand.

WIR: Wie sah das Programm eurer Konferenz aus?

Debora Aleo: Angefangen haben wir damit, das deutsche System der dualen Berufsausbildung vorzustellen. Dazu waren Gerardo Scarpino vom Betriebsrat eingeladen und Herr Naujoks von der Unternehmensseite, um die duale Berufsausbildung weltweit vorzustellen. Danach hat Maurizio Autieri von der Jugendvertretung VW das System der Jugend- und Ausbildungsvertretung erklärt.

Nina Zach: Am Dienstag haben wir dann die Berufsausbildung im Werk besichtigt. Es ist immer besser, nicht nur von etwas zu erzählen, sondern es sich selbst anzuschauen. Man hat gleich gemerkt, wie beeindruckt die Kolleginnen und Kollegen waren, von der Größe und der Ausstattung. Nachmittags haben uns dann die Lateinamerikanischen Kollegen ihre Systeme vorgestellt. Das war natürlich für uns besonders spannend.

WIR: Und welche Unterschiede gibt es?

Debora Aleo: Da gibt es vieles. Die Dauer ist je nach Standort unterschiedlich. Im Standort São Carlos/Brasilien zum Beispiel dauert die Ausbildung 1,5 Jahre, in den anderen brasilianischen Werken 2 Jahre. Auch in Argentinien dauert sie 2 Jahre. In Mexiko haben sie 3,5 Jahre, so wie wir. Die Bezahlung ist zum Teil ganz gut geregelt, durch eigene Lohntabellen für die Auszubildenden. In Mexiko dagegen bezahlen sie 6 € im Monat. Das ist auch für die dortigen Verhältnisse sehr wenig. Die Übernahme nach der Ausbildung ist nur in Deutschland geregelt und an den anderen Standorten nicht. Das wollten wir durch die Charta ändern.

Nina Zach: Ein Unterschied ist auch die Betreuung. Viele Betriebsratsgremien und Gewerkschaften haben die Auszubildenden nicht auf dem Schirm. Für sie sind es keine „Arbeiter“, daher werden sie weder angesprochen noch wirklich betreut. Ich glaube, durch diese Konferenz haben wir das ein wenig geändert. Und sollte es, wie in der Charta der Ausbildung gefordert, eine Jugend- und Auszubildendenvertretung an jedem Standort geben, wäre das ein Riesenerfolg!

WIR: Damit habt ihr ja schon angefangen, von der Charta zu berichten. Wie ging es weiter?

Debora Aleo: Am Mittwoch haben wir uns ganz der Charta der Ausbildung gewidmet. Wir hatten ja im Vorfeld einen Vorschlag geschrieben und übersetzt an die Länder schicken lassen, damit sie es auch vor Ort diskutieren können. Es wäre unrealistisch gewesen, so eine Charta in einer Woche gemeinsam zu schreiben. So konnten die Kolleginnen und Kollegen unseren Vorschlag diskutieren und Änderungen und Ergänzungen einbringen. Das hat sehr gut funktioniert. Es war zwar ein langer Tag mit vielen Diskussionen, aber am Ende waren alle zufrieden, und wir haben gemeinsam richtig etwas geleistet!

Nina Zach: Am Donnerstag waren wir bei der VKL eingeladen, um uns die Vertretung der IG Metall im Betrieb anzuschauen. Die Verzahnung mit der Gewerkschaft darzustellen war uns sehr wichtig. Danach haben wir eine Werksführung gemacht, das gehört ja auch dazu. Und nachmittags waren wir dann im Gewerkschaftshaus, um uns mit dem deutschen System der Mitbestimmung zu beschäftigen.

WIR: Und dann habt ihr die Charta der Ausbildung am Freitag an den WKBR und den Konzernvorstand übergeben. Wie waren die Reaktionen?

Debora Aleo: Es war etwas ganz Besonderes, dass alle Teilnehmer der Konferenz auch zum WKBR kommen durften. Das hat uns gezeigt, wie wichtig die Jugend für den WKBR ist. Die Reaktionen waren positiv! Die Arbeitnehmerseite hatte uns ja schon vorher in der internen Sitzung ihre Unterstützung zugesagt. Die Unternehmensseite hat uns dann Gespräche zugesichert. Das war für uns ein voller Erfolg!

WIR: Und wie geht es nun weiter?

Debora Aleo: Natürlich müssen wir als Erstes die anderen Länder miteinbeziehen und unseren Entwurf an alle verschicken. Wir warten jetzt auf die Gespräche und hoffen, möglichst bald anfangen zu können, die Charta der Ausbildung mit der Unternehmensseite zu diskutieren. Toll wäre es, wenn wir schon bei der nächsten WKBR-Sitzung die Unterschriften bekommen würden!

WIR: Danke für das Interview!