Demo am Tor Sandkamp: Beschäftigte fordern die Geschäftsführung von VW Classic Parts zum Handeln auf und benötigen Unterstützung von Volkswagen

Wo VW draufsteht, muss auch Volkswagen drin sein - Volkswagen Classic Parts in Wolfsburg seit Jahren ohne Tarif!

16.11.2022 | Wolfsburg – Es gibt sie noch: Die weißen Flecken auf der Tariflandkarte der IG Metall bei Volkswagen. Während fast alle Beschäftigten von Volkswagen und den VW-Töchtern von Tarifverträgen der IG Metall profitieren, herrscht bei der Volkswagen Classic Parts in Wolfsburg-Detmerode reine Willkür.

Fotograf: Roland Hermstein

Das Unternehmen bietet die Original-Ersatzteileversorgung für ältere Volkswagenmodelle an und ist eine Tochter von Volkswagen, seit über 20 Jahren. Und dennoch unterliegt VW Classic Parts keinem Tarifvertrag. Ein Großteil der rund 60 Beschäftigten hat sich deshalb vor geraumer Zeit in der IG Metall organisiert und fordert jetzt den Abschluss von Tarifverträgen.

„Unter dem Dach von Volkswagen gilt üblicherweise eine 35-Stunden-Woche, bei VW Classic Parts müssen die Beschäftigten seit vielen Jahren noch 40 Stunden arbeiten. Ein Zustand, den die Beschäftigten zu Recht nicht hinnehmen wollen“, so IG Metall-Verhandlungsführer Thilo Reusch. „Es geht um eine Gleichbehandlung mit den Kolleginnen und Kollegen im restlichen Volkswagen-Umfeld, für die sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stark machen! Auch vergleichbare Tätigkeiten werden bei VW Classic Parts unterschiedlich bezahlt, Regelungen zu einer Altersteilzeit oder eine im VW-Umfeld übliche tarifliche Zusatzvergütung gibt es nicht.“ Der Metaller fügt an: „Nicht überall, wo Volkswagen draufsteht, sind am Ende auch Tarif und 'Gute Arbeit' drin. Diesen Umstand gilt es zu ändern!“

Die IG Metall führt deshalb seit vielen Monaten Verhandlungen mit der Geschäftsführung und fordert eine modifizierte Übernahme der VW-Tarifregelungen. Aber auch nach neun Verhandlungsrunden gibt es keine Annäherung: „Weiterhin ist die Arbeitgeberseite nicht bereit, in konstruktive Gespräche über einen angepassten Volkswagen-Haustarifvertrag mit uns einzutreten. Dabei sind wir sogar bereit, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Unternehmens zu berücksichtigen und eine passgenaue Lösung zu entwickeln“, so Harald Errerd von der IG Metall Wolfsburg. Diese Entwicklungen führen jetzt dazu, dass die Beschäftigten zum dritten Mal auf die Straße gehen. Zwei Warnstreiks haben bereits stattgefunden. Beide Warnstreiks fanden große Unterstützung innerhalb der Belegschaft und haben mit Nachdruck gezeigt: Die Kolleginnen und Kollegen von VW Classic Parts stehen geschlossen hinter der Forderung der IG Metall.

Heute machte die Belegschaft von VW Classic Parts erneut in einem Protestmarsch vom Gewerkschaftshaus bis zum Volkswagen-Tor Sandkamp Druck. Mit Plakaten, Fahnen und lauten Parolen taten sie ihren Unmut kund. Symbolisch gaben sie Bewerbungsmappen am Volkswagen-Tor Sandkamp ab. Dr. Porbeck, Verhandlungsführer der Arbeitgeber, hatte selber den Anlass dazu gegeben, indem er sagte „Wer einen VW-Haustarifvertrag haben will, muss sich bei Volkswagen bewerben“ – quasi wegbewerben. Und genau das tun die Beschäftigten jetzt – dabei drehen sie den Spieß aber um. Sie bewerben sich nicht selbst bei Volkswagen – schließlich stehen sie zu ihrem Unternehmen VW Classic Parts und wollen die Zukunft ihres Betriebes mitgestalten. Genau das veranlasst die Beschäftigten aber dazu, sich beim Mutterkonzern Volkswagen um die Aufnahme ihres Unternehmens in den VW-Haustarif zu bewerben.

„Schließlich geht es um das Gütesiegel „Gute Arbeit, welches allen Beschäftigten in der Volkswagen-Familie zugestanden werden sollte“, findet auch VW-Betriebsrätin Susanne Preuk, die das Anliegen der Beschäftigten von VW Classic Parts am Tor Sandkamp, gemeinsam mit der VW-Vertrauenskörperleitung und Betriebsräten von Volkswagen Zubehör unterstützt, um den VW-Vorstand in die Pflicht zu nehmen. „Solidarität darf nicht am eigenen Werkstor enden“, meint Preuk. „Wenn man es ernst meint mit dem Begriff der 'Solidarität' und in Anerkennung dessen, dass VW Classic Parts bisher gar keinen Tarif hat, dann ist klar, dass wir Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter zusammen halten müssen.“

Zwar sieht die VW Classic Parts um Verhandlungsführer Dr. Porbeck zwischenzeitlich selbst ein, dass die Arbeitsbedingungen verbessert werden müssen, um so Transparenz und Gerechtigkeit sowie einen besseren Schutz für die Beschäftigten herzustellen; eine Lösung auf Basis der VW-Tarifregelungen lehnt Porbeck jedoch ab.  Stattdessen bietet die Arbeitgeberseite Regelungen aus dem Kfz-Handwerksbereich an. Ein Frevel, wenn man bedenkt, dass allein die Geschäftsführung selbst schon heute mit Rahmenbedingungen des Volkswagen-Managements ausgestattet ist, findet die IG Metall, die der Arbeitgeberseite vorwirft 'Wasser zu predigen und selber Wein zu trinken'.

Wie geht es nun weiter? Die Geschäftsführung wurde nochmals durch die IG Metall schriftlich aufgefordert, in die Verhandlungen einzutreten. „Sollten wir hier kein Einlenken der Geschäftsführung bekommen, werden wir weitere Aktionen starten. Wir wollen einen angepassten und auf das Unternehmen zugeschnitten Volkswagen-Haustarifvertrag einführen. Die Forderung mit der einfachen Aussage wegzuwischen, dass das Volkswagen-Tarifsystem zu teuer und zu kompliziert sei, damit macht es sich die Arbeitgeberseite sehr einfach. Es kann doch nicht sein, dass die Gewinne von VW Classic Parts auf Kosten der Beschäftigten eingefahren werden und wir wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden“, merkt Patrick Knoll, Mitglied der Verhandlungskommission, an.

Flavio Benites, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Wolfsburg findet die Blockadehaltung der Arbeitgeberseite ebenfalls unerträglich. „Wenn das Unternehmen Jahrzehnte von einem tariflosen Zustand massiv profitiert hat, wird es jetzt endlich Zeit, die Wende herbeizuführen. Es kann nicht sein, dass es im Volkswagen-Konzern noch solche ungeregelten Grauzonen gibt“, so Benites. „Die IG Metall-Mitglieder haben sich dazu entschlossen, die Sache nun gemeinsam mit der Gewerkschaft die Hand zu nehmen, um zu zeigen, dass sie diese Ungerechtigkeiten nicht einfach hinnehmen. Deshalb wird es weitere Protestaktionen geben, wenn die Arbeitgeberseite von VW Classic Parts nicht endlich einlenkt.“