Streit um Entgelterhöhung: Bertrandt klammert sich an juristischen Strohhalm

06.03.2023 | Wolfsburg/Tappenbeck – Der Entwicklungsdienstleister Bertrandt zeigt sich als schlechter Verlierer. Nachdem das Unternehmen in zwei Rechtstreitigkeiten vor dem Arbeitsgericht Braunschweig gegen zwei Wolfsburger Beschäftigte unterlegen ist, wird die Auseinandersetzung nun in der nächsten Instanz fortgesetzt. Teuer und unnötig - denn die Erfolgsaussichten für den Arbeitgeber sind sehr gering und das Vorgehen verstärkt nur die Unzufriedenheit in der Belegschaft.

Sebastian Schien, Fotograf: Lars Landmann

Tobias Hoppe, Fotograf: Lars Landmann

Johannes Katzan, Fotografin: Jelca Kollatsch

Hintergrund des Prozesses ist der Versuch des Arbeitgebers, eine Gruppe von Arbeitnehmern von einer allgemeinen Entgelterhöhung von 4 Prozent auszuschließen, die Bertrandt seinen Beschäftigten zum 1. Juli gewährte. Denn einige Beschäftigte, die in der ersten Jahreshälfte bereits eine außerordentliche, leistungsbezogene Lohnerhöhung erhalten hatten, wurden dabei gar nicht oder nur anteilig berücksichtigt. 
Eine Geste des guten Willens, die nach hinten losging. 

Viele der betroffenen Kolleginnen und Kollegen wandten sich deswegen mit der Bitte um juristische Bewertung an die IG Metall. Für diese ist der Fall klar: Mit der nicht Berücksichtigung der Kolleginnen und Kollegen verstößt Bertrandt gegen den bereits mehrfach höchstrichterlich bestätigten Gleichbehandlungsgrundsatz.

50 der betroffenen Kollegen machten deshalb ihren Anspruch auf die Entgelterhöhung gegenüber dem Unternehmen geltend, bissen dabei jedoch auf Granit. Eine Klage zweier Kollegen war die Folge. Die Braunschweiger Arbeitsrichter ließen in ihrer Urteilsbegründung Anfang Februar keinen Zweifel und folgten der Argumentation der IG Metall beinahe uneingeschränkt. Trotzdem legt das Unternehmen nun Berufung ein.

„Wir als IG Metall verstehen Bertrandt in der Bewertung des Urteils in keiner Weise. Das Urteil war ein klarer Wink mit dem Zaunpfahl, dass sich eine Berufung nicht lohnt. Generell bedauern wir, dass es überhaupt zu dieser Entwicklung kommen musste. Wir haben vorher mit der Geschäftsführung an einer für alle Kolleginnen und Kollegen zufriedenstellenden sozialpartnerschaftlichen Lösung gearbeitet und hatten dabei zunächst auch ein gutes Gefühl. Umso enttäuschender ist nun diese Fehleinschätzung des Arbeitgebers“, sagt der für Bertrandt zuständige Betriebsbetreuer der IG Metall Wolfsburg, Sebastian Schien.

Der Betriebsratsvorsitzende Tobias Hoppe teilt diese Einschätzung. „Dieser Streit geht aus meiner Sicht auf die Kappe der Holding. Wir waren auf einem guten Weg, mit der Geschäftsführung in Tappenbeck eine partnerschaftliche Lösung zu finden. Mein Gefühl sagt mir, dass hier die Zentrale in Ehning das letzte Wort hatte.“ Als Reaktion auf das Braunschweiger Urteil prüfen nun 48 weitere Kolleginnen und Kollegen von Bertrandt, ob sie Klage gegen das Unternehmen einreichen.

Für Johannes Katzan von der IG Metall Bezirksleitung steht fest: Mit einem Tarifvertrag hätte sich der Unmut vermeiden lassen. „Für die Transformation der Mobilitätsindustrie sind die Entwicklungsdienstleister die entscheidenden Enabler! Um die Fachkräfte für die Gestaltung zu sichern, sind gute und vergleichbare Arbeitsbedingungen in der Branche unerlässlich. Jeder Entwicklungsdienstleister ist gut beraten, mit der IG Metall einen Tarifvertrag abzuschließen.“