Betriebsversammlung

Brose-Sitech: Belegschaft fordert Kulturwechsel - Kolleginnen und Kollegen klagen über fehlende Wertschätzung

16.06.2023 | Wolfsburg – Nicht nur die Sonne sorgte am Mittwoch in Sandkamp für Hitze, auch in der Halle ging es bei der Betriebsversammlung bei Brose Sitech heiß her. Mit dem Produktionsaufschwung beim Großkunden Volkswagen ist zwar auch beim Sitzhersteller wieder Stabilität eingekehrt, alle Probleme sind damit aber längst nicht vom Tisch.

Denn innerhalb der Belegschaft brodelt es. Grund dafür ist die neue Unternehmenskultur, die seit dem Joint Venture mit der Brose Gruppe Einzug gehalten hat. Vor allem beklagten Betriebsrat und IG Metall die fehlende Wertschätzung gegenüber den Beschäftigten. „Ein Stift für 20 Jahre harte und treue Arbeit im Unternehmen – das kann man sich schenken“, führte Gewerkschaftssekretärin ein Beispiel an.

Der Betriebsratsvorsitzende Wissam Harb wurde in seiner emotionalen Rede noch deutlicher und klagte die Doppelmoral des Unternehmens an. „Auf der einen Seite verlangt das Unternehmen Flexibilität von uns. Auf der anderen Seite werden Emdener Kollegen und Kolleginnen, die hier in Sandkamp aushelfen, in Absteigen mit nicht mal einem Waschbecken untergebracht. Das darf nicht sein, so geht man nicht mit seinen Beschäftigten um“, so Harb.

Generell bleibe die „Ressource Mensch“ bei Brose Sitech auf der Strecke. Keine Investitionen in Qualifikation, zu wenig Ausbilder, geradezu „diktatorische Beschränkung der mobilen Arbeit“, wie der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Marcello Aiello berichtete. Als das führe zu einer „schädlichen Unternehmenskultur“ und damit letztlich dazu, dass Mitarbeiter-Fluktuation und Krankenstand mittlerweile ein ungesundes Ausmaß angenommen haben, erklärte Felina Bodner.

Immerhin: Die Geschäftsführung scheint verstanden zu haben und sandte auf der Betriebsversammlung ein erstes positives Signal. Als Dankeschön für die extreme Flexibilität und vielen Überstunden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen diese eine Woche lang nur die Hälfte in der Kantine nur die Hälfte bezahlen. Eine schöne Geste der Wertschätzung, die hoffentlich nur der Anfang ist, für den von der Belegschaft geforderten Kulturwechsel.

Auch strategisch verlangen Betriebsrat und Belegschaft Fortschritte und sind bereit, ihren Beitrag zu leisten. „Die Konzernverantwortlichen bei VW sind sich einig, dass Wolfsburg die Mobilitätsstadt der Zukunft sein wird. Mit unserer jungen, motivierten und gutqualifizierten Mannschaft ist es unser Ziel und unser Anspruch, ein Teil dieses Projektes zu sein und eine wichtige Rolle dabei zu spielen. Daher treiben wir das Thema Strategie 2030 voran. Wir sind bereit und offen, neue und weitere Aufgaben oder Produkte für VW zu übernehmen und unseren Beitrag zum Erfolg beider Mütter beizutragen“, stellt Wissam Harb klar.