Vortrag im Gewerkschaftshaus

Brasilien - ein zerrissenes Land

31.05.2023 | Wie schaffte es ein politischer Außenseiter und Underdog wie Jair Bolsonaro in das Präsidentenamt Brasiliens? Was haben die 4 Jahre unter dem ultrakonservativen und rechtsextremen Politiker mit der größten Volkswirtschaft Südamerikas angestellt? Und wie ist die Perspektive unter dem aktuellen - und früherem Präsidenten - Lula da Silva? Über die äußerst komplexe politische und gesellschaftliche Gemengelage in Brasilien berichtete am Dienstagabend auf Einladung der IG Metall Wolfsburg der Journalist, Publizist und Politik- und Lateinamerikawissenschaftler Niklas Franzen im Gewerkschaftshaus.

Franzen, langjähriger Brasilien-Korrespondent, zeichnete in seinem äußerst aufschlussreichen Vortrag das Bild eines durch viele Konflikte zerrissenen Landes. Er analysierte, wie Bolsonaro multiple Krisen und das Misstrauen gegenüber den Eliten nutzte und sich auf Social Media geschickt als Gegenstück inszenierte. Dabei wurden zahlreiche Parallelen zu Donald Trump, der AfD und weiteren Vertretern der neuen Rechten sichtbar. 

Obwohl Bolsonaros politische Bilanz extrem negativ ausfällt -  Brasilien steht wirtschaftlich wesentlich schlechter da, Armut und Elend breiten sich aus -, befinden sich die rechten Kräfte weiter auf dem Vormarsch. „Die Bewegung verfolgt den langfristigen Plan, die Gesellschaft nachhaltig nach rechts zu drängen“, erklärte Franzen. 

Für den linken Präsidenten Lula da Silva, so Franzens Einschätzung, dürfte es deswegen extrem schwer werden, seine ehrgeizigen Politik-Pläne umzusetzen und das Land von Bolsonaros Politik zu "heilen". Zumal es in Brasilien, wie auch in viele anderen Ländern, an strukturierten und mächtigen Linken-Gegenbewegungen fehle. So sei auch die Wahl Lulas vor allem eine Personenwahl und nicht eine Positionswahl gewesen.

Der Erste Bevollmächtigte der Wolfsburger IG Metall Flavio Benites, selbst Brasilianer, sah den Vortrag und die Lage in Brasilien auch als Mahnung und Handlungsauftrag. „Als Gewerkschafter und Demokraten müssen wir alle unsere Mittel, und seien sie noch so bescheiden, aufwenden, um den rechten Bewegungen entgegenzutreten – hierzulande und überall auf der Welt.“