IG Metall Wolfsburg und DEUTSCHE BKK informierten zum Thema Pflege

Pflegebedürftig - was tun?

21.04.2015 | Wolfsburg - Wird man selbst oder ein Angehöriger pflegebedürftig, scheinen die Hürden auf den ersten Blick hoch. Wie gehe ich am besten vor, damit alles reibungslos läuft und was bieten mir die Stadt Wolfsburg und andere Organisationen für Hilfestellungen? Beim gestrigen Themenabend "Pflegebedürftig - was tun?" informierten die IG Metall Wolfsburg und die DEUTSCHE BKK im Gewerkschaftshaus rund 50 interessierte Gäste zu diesem komplexen Thema.

Hartwig Erb, Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Wolfsburg, eröffnete die Runde und stellte fest, dass im Bereich Pflege viel zu tun sei. "Familien wünschen sich vor allem mehr zeitliche Flexibilität im Job, damit sie Angehörige pflegen können. Noch haben längst nicht alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer diese Möglichkeit."

Auch Pflegefachkräfte seien völlig überlastet - 80 Prozent gingen regelmäßig krank zur Arbeit und jeder fünfte könne nach eigener Einschätzung seinen Beruf nicht bis zum Rentenalter ausüben. "Pflege hat in Deutschland eine schlechte Lobby, das muss sich dringend ändern, damit sich auch in der Politik etwas tut. Aus meiner Sicht ist hier ein Generationenvertrag nötig, denn alte Menschen sind ein Gewinn, keine Last."

Gerhard Stein, Vorstand der DEUTSCHEN BKK, stellte eine Frage in den Raum, um die sich vieles dreht: "Was ist uns Pflege eigentlich wert?" Demografie sei kein Fluch, sicherlich aber eine Herausforderung, besonders in der Finanzierung. Er appellierte an die Anwesenden, möglichst selbst vorzusorgen, damit die Angehörigen später nicht darunter leiden müssten. "Das Thema darf nicht weiter aufgeschoben werden, sondern wir brauchen eine ehrliche gesellschaftliche Diskussion, weniger Bürokratie und stärkere Vernetzung in der Versorgung."

Er habe einen Tag lang ein Pflegeheim besucht, um sich ein Bild zu machen und Hochachtung vor den Menschen, die sich dort engagieren. Die Überlastung sei allerdings allgegenwärtig, eine internationalere Ausrichtung hinsichtlich der Fachkräfte nötig, doch die Qualität müsse weiterhin stimmen.   

Nach dem Vortrag von Maren Hammermeister, Pflegeexpertin der DEUTSCHEN BKK, gab es bei der Fragerunde rege Beteiligung der Anwesenden. Hammermeister erklärte zudem ein grundlegendes Problem: "Auch wenn der Medizinische Dienst der Krankenkassen eine Begutachtung zu Hause durchführt, gibt es danach nicht immer eine Pflegestufe. Das liegt oft daran, dass die Zeiten für Hygiene und Grundbedürfnisse noch nicht lang genug ist." Dieses System der Zeitbemessung sei veraltet und müsse dringend überarbeitet werden. Ein Tipp der Expertin: "Seien Sie bei solchen Terminen als pflegender Angehöriger dabei, denn ältere Menschen behaupten gern vor Fremden, dass sie noch alles allein können."

Ralf Fricke, Leiter der DRK-Pflegeheime in Gifhorn, formulierte es drastisch: "Es ist nicht kurz vor zwölf, sondern halb eins! Wenn wir uns nicht ändern, dann wird uns die Zeit verändern und dann sehen wir alle alt aus."

Pflege sei der Gesellschaft nichts wert, deshalb sei der Job einer Pflegefachkraft auch so unattraktiv. Zu wenig Einkommen, Schichtdienst, schwere physische und psychische Arbeit. "Die Rahmenbedingungen müssen sich verändern, es muss mehr Geld in die Hand genommen werden."

Woran man ein gutes Pflegeheim erkenne? "Achten Sie darauf, dass dort trotz der schwierigen Situation im letzten Lebensabschnitt gelacht wird, die Atmosphäre muss stimmen!"  

Die Stadt Wolfsburg bietet für die älteren Einwohner schon vieles - besonders über den Senioren- und Pflegestützpunkt. Dessen Leiter Klaus-Dieter Lenz zeigte die Möglichkeiten auf. "Auch wir gehen mit unseren Beratern direkt zu den Menschen nach Hause und helfen bei Anträgen und rechtlichen Dingen."

Die Stadt Wolfsburg bietet für die älteren Einwohner schon vieles - besonders über den Senioren- und Pflegestützpunkt. Dessen Leiter Klaus-Dieter Lenz zeigte die Möglichkeiten auf. "Auch wir gehen mit unseren Beratern direkt zu den Menschen nach Hause, beraten zu Pflegeversicherungen und helfen bei Anträgen." Die Broschüre "Wolfsburg im besten Alter" informiert über Angebote und Leistungen - sie liegt für Interessierte im Rathaus aus. Besonders an der Infrastruktur innerhalb der Stadt müsse noch weiter gearbeitet werden. "Wird etwa eine ältere Dame aus dem zweiten Stock, ohne Aufzug, pflegebedürftig, stellt sich die Frage, wie sie weiterhin selbstbestimmt dort wohnen kann." Dieses Beispiel verdeutlicht, dass Barrierefreiheit ein wichtiges Thema für Mobilität und Selbstständigkeit ist. 

Bei der anschließenden Fragerunde und auch beim Get-together zeigte sich, dass den Gästen viele unterschiedliche Fragen unter den Nägeln brannten. Maren Hammermeister rief deshalb dazu auf, die Hilfsangebote von Stadt und Krankenkasse oder anderen Einrichtungen anzunehmen. "Sie sind nicht alleine, nutzen Sie das Angebot!"