Gemeinsame Erklärung der IG Metall und des Konzernbetriebsrates der Volkswagen AG

20.10.2015 | Frankfurt am Main/Wolfsburg, 20. Oktober 2015 - Die IG Metall und der Konzernbetriebsrat der Volkswagen AG haben sich in einer gemeinsamen Erklärung zu den Manipulationen der Abgaswerte bei Dieselmotoren im VW Konzern geäußert.

Der Wortlaut der Erklärung:

Die IG Metall und der Betriebsrat von Volkswagen verurteilen die Manipulationen der Abgaswerte bei Dieselmotoren im VW Konzern, die Kunden und Beschäftigten von Volkswagen gleichermaßen Schaden zugefügt haben. Die Vertreter der IG Metall im Aufsichtsrat – ob hauptamtliche oder betriebliche Vertreter – werden die Aufklärung der Geschehnisse auch weiterhin mit aller Kraft und ohne Ansehen von Personen vorantreiben. Ebenso stehen wir als Gewerkschafter dafür, dass Konsequenzen aus den bewussten Verstößen gegen Gesetze und Richtlinien gezogen werden.

Der Konzernbetriebsrat von Volkswagen und die IG Metall setzen sich schon seit längerem dafür ein, dass sich Volkswagen hinsichtlich seiner Führungs- und Entscheidungsstrukturen verändern muss. Die Vertreter von Konzernbetriebsrat und IG Metall haben die neuen Konzernstrukturen, die in der VW-Aufsichtsratssitzung im September verabschiedet wurden, maßgeblich mitgestaltet und auch gegen Widerstände durchgesetzt. Verantwortung muss stärker geteilt und Entscheidungen dezentralisiert werden. Insbesondere die Marken des Volkswagen Konzerns sowie die großen Regionen der Welt sollen hierdurch in ihrer Eigenständigkeit gestärkt werden. Hierdurch erhalten auch Manager unterhalb des Vorstands ein höheres Maß an Entscheidungsbefugnis und Verantwortung. Die Entscheidungsgeschwindigkeit wird somit erhöht und der Konzernvorstand kann sich auf wesentliche strategische Fragen konzentrieren.

Durch die Verabschiedung der neuen Konzernstrukturen liegen jetzt die Voraussetzungen vor, die starre Hierarchie, die auf eine Reihe von Topentscheidern zugeschnitten war, durch flachere und durchlässigere Strukturen zu ersetzen. IG Metall und Betriebsrat werden nun eine konsequente Umsetzung einfordern.

Die Mitbestimmung ist einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren des Volkswagen Kon-zerns. Sie hat maßgeblich dazu beigetragen, den Konzern erfolgreich zu einem Global Player weiterzuentwickeln. So spielten Betriebsräte und Gewerkschaften bei der Integration neuer Marken in den Konzern – beispielhaft seien hier MAN und Scania genannt – eine wesentliche Rolle. Während auf Seiten des Betriebsrats und der IG Metall die Strukturen schrittweise der neuen Zusammensetzung des Konzerns angepasst wurden, hat die Unternehmensseite lange an starren Strukturen festgehalten. Noch heute wird bei Volkswagen in den Führungsebenen zu sehr in Marken und Bereichen gedacht. Insbesondere müssen die Ideen und Initiativen des Einzelnen, unabhängig von Hierarchien, ernster genommen werden. Dies zeigt der große Zuspruch der Beschäftigten – ob aus dem Management oder der Belegschaft – zur Initiative des Betriebsrats, sich aktiv in das Effizienzprogramm des Unternehmens durch eigene Vorschläge einzubringen.

Die Betriebsräte und Vertrauensleute der IG Metall sowie die IG Metall werden sich bei Volkswagen durch aktives Handeln für eine Verbesserung der Einbindung der Führungskräfte und Beschäftigten in Entscheidungsprozesse einsetzen. Der Betriebsrat hat zu seiner eigenen Arbeit eine Befragung unter allen Beschäftigten durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass für Beschäftigte, wie Führungskräfte, Betriebsversammlungen und BR-Dialoge eine der wichtigsten Informationsquellen sind.

Wir fordern deshalb – auch als Lehre aus der Krise – Transparenz auf allen Ebenen ein. Als Betriebsräte und IG Metaller müssen wir jede getroffene Entscheidung – ob im Betriebsrat oder im Aufsichtsrat – unseren Kolleginnen und Kollegen vermitteln und erklären. Diese Form der Transparenz vermissen wir bei vielen Entscheidungen auf der Unternehmensseite. Ein ehrlicher Umgang mit Fehlern nach innen gehört hier ebenso dazu, wie Offenheit gegenüber unseren Kunden. Konkret bedeutet dies für uns: Fehler dürfen nicht unter den Teppich gekehrt werden, sondern müssen benannt, analysiert und abgestellt werden. Zielkonflikte, beispielsweise zwischen Kostenvorgaben und technischen Lösungen, können nur so bearbeitet werden und ein Ausgangspunkt für bessere Lösungen sein.

IG Metall und Betriebsrat werden in den nächsten Wochen gemeinsam ein Konzept entwickeln, um die Belegschaft aktiv in den jetzt beginnenden Diskussionsprozess einzubeziehen. Wir werden in einem eigenen Positionspapier den notwendigen Wandel beschreiben und dieses zur Diskussion stellen. Dabei ist uns die Einbeziehung des Managements wichtig, denn viele gute und engagierte Führungskräfte geraten ebenso grundlos in die Kritik wie die Beschäftigten.

Mit Nachdruck werden wir uns dafür einsetzen, dass die von Managern verursachte Krise nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Schon jetzt macht sich Verunsicherung breit und Vorstände diskutieren Szenarien, in denen man die Krise nutzen will, um den lang erträumten Abbau von Leiharbeiternehmern voranzutreiben. IG Metall und Betriebsrat werden sich entgegenstellen, wenn unter dem Deckmantel der Krise vom Management Politik gegen die Arbeitnehmer gemacht werden soll.

Gleichzeitig werden IG Metall und Konzernbetriebsrat von Volkswagen auch weiterhin konsequent einen Kurs fahren, in dem Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit gleichrangige Unternehmensziele bleiben. Wir sind keine Co-Manager, aber wir managen die Interessen unserer Kolleginnen und Kollegen. Von dieser Form der qualifizierten Mitbestimmung werden wir nicht abrücken, weil sie für die Beschäftigten ebenso positiv ist wie für das Unternehmen. Volkswagen ist ein Leuchtturm der Mitbestimmung, der das deutsche Modell an seine internationalen Standorte trägt und damit ein Stück Demokratie in der Wirtschaftswelt realisiert. Deshalb stehen wir dafür, dieses Mitbestimmungsmodell nicht nur zu verteidigen, sondern es konsequent weiterzuentwickeln. Auch gegen unqualifizierte Angriffe, wie wir sie derzeit von außen erleben. Es ist offensichtlich und durchsichtig, dass die Gegner der Mitbestimmung die Vorgänge in Reihen des VW-Managements dafür nutzen, um Stimmungsmache zu betreiben. Frei nach dem Motto: Geht es dem Unternehmen gut, ist es der Verdienst der Vorstände und Kapitaleigner, befinden wir uns in der Krise, dann ist die Mitbestimmung schuld. Dazu halten wir fest: Betriebsräte und IG Metall übernehmen für ihr Handeln Verantwortung, nicht aber für das Versagen anderer.

Frankfurt am Main/Wolfsburg, 20. Oktober 2015