01.05.2025 | Wolfsburg – Petrus ist Gewerkschafter: Bei prallem Sonnenschein zogen am 1. Mai tausende Kolleginnen und Kollegen aus der Region Wolfsburg durch die Innenstadt und demonstrierten so am „Tag der Arbeit“ den Zusammenhalt und die Stärke der Arbeitnehmerschaft. Rund 4.500 Menschen lauschten anschließend den Worten des Ersten Bevollmächtigten Flavio Benites, des DGB-Stadtverbandsvorsitzenden Matthias Disterheft, des Vertreters der IG Metall-Jugend Berke Bayrakdar sowie natürlich der diesjährigen Hauptrednerin Christiane Benner, Vorsitzende der IG Metall. Die Grußworte für die Stadt Wolfsburg sprach Bürgermeister Andreas Klaffehn.
Der „Tag der Arbeit“ stand dabei ganz im Zeichen der aktuell riesigen wirtschaftlichen Herausforderungen und unter dem frischen Eindruck des Koalitionsvertrags der kommenden Bundesregierung. Dementsprechend hatte Christiane Benner klare Botschaften und Forderungen an die Politik mit nach Wolfsburg, „einer Stadt, in der das Gewerkschaftsherz laut und stark schlägt“, gebracht. „Es brennt im ganzen Land, zehntausende Jobs, ganze Branchen stehen auf dem Spiel“, machte Benner deutlich. „Unser Zusammenhalt und unsere Stärke werden derzeit massiv auf die Probe gestellt. Aber eins ist klar: Wir werden uns nicht spalten lassen!“
Die kommende Bundesregierung forderte Benner vor allem zu Tempo auf. „Jeder Tag Stillstand kostet in diesem Land Arbeitsplätze. Was uns jetzt wegbricht, das kriegen wir nicht wieder. Wir müssen unsere industrielle Stärke mit guten Arbeitsplätzen in Deutschland erhalten“, so die IG Metall-Vorsitzende. Der Koalitionsvertrag enthalte neben einigen Defiziten auch auf Druck der Gewerkschaften und starken Betriebsräten gute Ansätze, wie etwa das klare Bekenntnis zur deutschen Industrie, die beabsichtigten Investitionen von 500 Milliarden Euro in die Infrastruktur oder die Pläne für ein Bundestariftreuegesetz.
Doch den Worten müssten jetzt zügig Taten folgen. „Wir brauchen schnell eine Regierung, die vom Verhandeln ins Handeln kommt, die die Weichen in Richtung Zukunft stellt, den Menschen wieder mehr Zuversicht gibt und das Land wieder zusammenführt. Heute nutzen wir den 1. Mai, um die Politik an ihre Verantwortung zu erinnern“.
Klare Worte fand Benner auch in Richtung Arbeitgeber und Unternehmen. „Die, die über Jahre in Form von hohen Dividenden und Boni von der harten Arbeit der Beschäftigten profitiert haben, müssen endlich soziale Verantwortung übernehmen. Schluss mit dem Gejammer und seht stattdessen zu, dass ihr Eure Unternehmen in die Zukunft führt. Wir brauchen Manager, die Krise können und keine Sonnenkönige“, sagte Benner.
Matthias Disterheft, DGB-Stadtverbandsvorsitzender und Geschäftsführer der IG Metall Wolfsburg, hatte in seiner Eingangsrede an die Errungenschaften der Gewerkschaften erinnert. In diesem Kontext erteilte er den Plänen der kommenden Regierung zur Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes eine deutliche Absage. „Finger weg vom 8-Stunden-Tag und den Rechten der Beschäftigten. Unsere Tarifverträge beinhalten bereits genug Möglichkeiten der Flexibilisierung. Wer das Arbeitszeitgesetz angreift, spielt mit der Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und gefährdet den sozialen Frieden. Gegen solche Pläne werden wir erbittert Widerstand leisten.“
Wolfsburgs Erster Bevollmächtigter Flavio Benites lenkte den Blick in seiner Rede auf die sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen. Die demokratischen Werte und mit ihr die Mitbestimmung seien nicht nur in Deutschland, sondern mittlerweile in ganz Europa und weltweit immer offeneren und härteren Angriffen ausgesetzt. „Diesen Angriffen müssen wir unsere gesamte Kraft, unseren Zusammenhalt und unsere Solidarität entgegenstellen, damit unsere Demokratie nicht den Bach runtergeht und auch die kommenden Generationen in einer gerechten Gesellschaft leben können. Der heutige Tag, an dem Menschen jeden Alters vertreten sind und ganz vorne in erster Reihe viele Kinder mitdemonstriert haben, gibt mir für diese Aufgabe Zuversicht“, sagte Benites.
Als Vertreter für die IG Metall-Jugend hielt Berke Bayrakdar ein leidenschaftliches Plädoyer. „Wir als Jugend stehen hier heute nicht nur, um die Tradition zu wahren, sondern an die Erfolge der Vergangenheit anzuknüpfen. Denn die Kämpfe von damals sind nicht Vergangenheit, sondern auch heute noch allgegenwärtig. Deswegen lasst und zusammen eintreten – für gute Arbeit, eine starke Industrie, Respekt und eine lebenswerte Zukunft“
Bei einem Gewerkschaftstalk mit Christiane Benner schilderten anschließend Detleff Bill, Betriebsrat beim Holzindustrie-Unternehmen Sonae Arauco, David Krala, Vertrauensmann beim IT-Dienstleister HCL Technologies sowie Benjamin Stern, Betriebsratsvorsitzender von Volkswagen Group Services die Situation in ihren Betrieben und Branchen. Der Talk endete mit einer gemeinsamen Solidaritätsbekundung für die Beschäftigten von Sonae Arauco, die aktuell in einer harten Tarifauseinandersetzung stecken, in der es unter anderem um die seit langem fällige Arbeitszeitsenkung auf 35 Stunden in Ostdeutschland geht.