Rund 120 Wolfsburger beim Ostermarsch der Gewerkschaften im Jahr 2025

Ostermarsch durch die Wolfsburger Innenstadt

22.04.2025 | Wolfsburg – „Frieden sichern, Verteidigungsfähigkeit erhöhen, Militarisierung stoppen!“ Mit dieser klaren Botschaft marschierten am Ostersamstag rund 120 Wolfsburgerinnen und Wolfsburgerinnen beim Ostermarsch der IG Metall durch die Innenstadt, um für den Frieden zu demonstrieren. Angesichts des weiter anhaltenden Krieges in der Ukraine sowie des Krieges im Nahen Osten ein Anliegen, das aktuell wohl kaum von größerer Bedeutung sein könnte.

Unter dem Glasdach am Hugo-Bork-Platz fanden die Redner deutliche und emotionale Worte. Moderiert wurde die Kundgebung von Matthias Disterheft, DGB-Stadtverbandsvorsitzender, der klar machte, warum der Ostermarsch in diesen Tagen so bedeutend ist: „In einer Zeit, in der Konflikte und Kriege das Miteinander der Menschen erschüttern, setzen wir ein Zeichen für die Werte, die die Grundlage unserer Demokratie bilden.“

Flavio Benites, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Wolfsburg ging näher auf die Kriege in der Ukraine sowie in Palästina ein und auch auf den Sudan – weit weg in Afrika, aber mehr als 30 Millionen Menschen sind dort von Vertreibung und akutem Hunger bedroht. Benites empfiehlt: „Wir müssen Friedensinitiativen dort stärken, wo sie zu finden sind. Denn die Zivilgesellschaft eines Landes, die sich gegen Krieg erhebt, kann bedeutend sein, um Frieden zu schaffen.“ Als Beispiel nannte Benites den Krieg im Nahen Osten, in dem sich Palästinenser inzwischen gegen das Vorgehen der Hamas aussprechen und Israelis sowie Teile des Militärs die Befehle der eigenen Staatsmacht kritisieren. Im Anschluss ging er darauf ein, wie wichtig es für uns als Gesellschaft sein muss, aus der Vergangenheit zu lernen und lud spontan Mechthild Hartung ein, den Zuhörerinnen und Zuhörern etwas zum „Schwur in Buchenwald vor 80 Jahren“ zu erzählen.

Die Sprecherin der ältesten antifaschistischen Organisation, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – BdA e.V. in Niedersachsen, erzählte: „Genau vor 80 Jahren standen auf dem Appellplatz von Buchenwald 15.000 Häftlinge und haben den berühmten Schwur von Buchenwald abgelegt. In dem heißt es unter anderem: »Wir werden kämpfen für eine Welt der Freiheit und des Friedens, das sind wir unseren ermordeten Kameraden schuldig.« In dieser Tradition stehe ich heute mich Euch zusammen“, sagt Hartung. „Wir wollen uns daran erinnern, dass große Opfer gebracht wurden, für unsere heutige Demokratie – für die wir kämpfen müssen, wie auch der überlebende Widerstandskäfer Peter Gingold gesagt hat: »Kämpft für die Demokratie, solange wir sie haben, danach ist es lebensgefährlich.«“

Michael Kleber, DGB-Regionsvorsitzender von SüdOstNiedersachsen knüpfte unter dem Glasdach in seiner Ansprache daran an: „Der Frieden und die Demokratie in Europa wurden hart erkämpft. Die zunehmenden nationalistischen und rechtspopulistischen Tendenzen gefährden dieses Fundament. Russland hat sich mit seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine sogar für den Rückfall in eine Politik militärischer Konfrontation entschieden. Und die Trump-Administration stellt zwischenzeitlich die territoriale Integrität einzelner Staaten in Frage.“

„Doch Verzweifeln gilt nicht“, meint Kleber. „Unsere Leitlinien müssen sein: Verteidigung der Demokratie, Achtung des Völkerrechts sowie Friedensdiplomatie – »friedensfähig statt kriegstüchtig«, heißt unser Slogan. Für Europa und vor allem für Deutschland muss gelten: mehr Engagement für friedenssichernde Maßnahmen – dazu gehören übrigens keine Taurus-Marschflugkörper. Statt explodierender Rüstungsausgaben fordern wir mehr Mittel für eine europäische und weltweite Konflikt- und Krisenprävention, für mehr Entwicklungszusammenarbeit, sowie für die Unterstützung von Friedens- und Menschenrechtsorganisationen. Es gibt so viel zu tun und wir sind ein so reiches Land. Wir brauchen mehr Mittel an den richtigen Stellen. Lasst uns gemeinsam Eintreten für mehr Demokratie, mehr soziale Gerechtigkeit und für schnelle und vor allem wirksame Friedensverhandlungen.“

Probst Ulrich Lincoln sprach als Vertreter des Abraham-Forums – ein Zusammenschluss jüdischer, christlicher und islamischer Gemeinden in Wolfsburg:
Der Slogan der diesjährigen Ostermärsche »Friedensfähig statt kriegstüchtig« sei aus seiner Sicht sehr gelungen. Lincoln beschreibt aber auch, wie kompliziert die Friedensfrage in der heutigen Zeit geworden sei. Die Friedensbewegung von vor 40 Jahren, zur Zeit der großen Friedensbewegung der 80er, beschreibt er als einen Teil seiner eigenen Biografie. 1983 war er selbst gerade einmal 20 Jahre alt, als er den Kriegsdienst verweigerte. „Heute würde ich dies wieder tun, aber aus anderen Motiven heraus“, so der Sprecher des Abraham Forums. Der Kalte Krieg von Ost und West sei längst vorbei. „Inzwischen gehört zum klaren Feindbild Russlands unsere liberale Demokratie, die auf der Anerkennung der Menschenrechte basiert. Und die AfD ist auch noch zum Sprachrohr dieser imperialen Ideologie in unserem Bundestag geworden.“

Der Probst wirft Fragen auf: Was bedeutet Friedensfähigkeit eigentlich, wenn Donald Trump an der Macht ist und die NATO in Frage gestellt wird? Würde ich heute auch noch gegen die NATO auf die Straße gehen, wenn ich weiß, dass Trump den Artikel 5 des NATO-Vertrages in Zweifel zieht? Jener Artikel definiert und beschreibt die Bündnisfähigkeit im Angriffsfall. Der Artikel, der für Polen, die Länder im Baltikum und Finnland existenziell geworden ist. Lincoln macht deutlich, wie sehr sich die Welt gedreht hat: „Früher war ich gegen die NATO, heute heißen die Gegner Putin und Trump, mit denen ich nicht in einem Boot sitzen möchte. Muss Friedensfähigkeit nicht auch die Möglichkeit miteinschließen, Europa vor einem Angriffskrieg zu schützen? Müssen nicht auch Pazifisten heute darüber sprechen, wie wir die europäischen Demokratien vor ihren Feinden schützen können?“

Zu guter Letzt wirft der Probst die Frage auf, was die Religionen zum Frieden beitragen können. In Russland und in den USA stützen sich Putin und Trump auf einen religiösen Nationalismus. „Dagegen müssen wir uns wehren“, so Lincoln deutlich. „Die Aufgabe der Religion ist es, ein Zeichen für Hoffnung in schwierigen Zeiten zu setzen. Es muss darum gehen, mit dem Ostermarsch deutlich herauszustellen, dass wir die Demokratie und die Menschenrechte nicht aufgeben.“

Nicht aufgeben und einen langen Atem haben, ist auch das Motto der Landtagsabgeordneten Immacolata Glosemeyer. Sie machte deutlich, dass Krieg nicht erst mit militärischen Handlungen beginne – er habe tiefe Wurzeln, die schon viel früher entstehen: „Daraus lernen wir: Frieden ist nicht nur die Abwesenheit von Krieg, sondern eine aktive Haltung, die wir einnehmen müssen. Das bedeutet: Es ist unerlässlich das Recht auf Asyl zu verteidigen. Wir müssen die internationalen Hilfsorganisationen unterstützen, die sich für die Rechte der Menschen vor Ort einsetzen. Wir müssen uns für ein Bildungssystem stark machen, das Respekt und Toleranz lehrt, für eine Politik, die den Menschen und nicht die Profite in den Mittelpunkt stellt, und für eine Gesellschaft, die Vielfalt schätz und gegen Diskriminierung kämpft. Denn Frieden ist ein Gemeinschaftswerk.“

Für die IG Metall Jugend und die Jugend- und Auszubildendenvertretung bei Volkswagen stellte Leon Gebhardt eine Frage in den Raum, die viele junge Menschen aktuell umtreibt und mitten ins Herz sticht: „Wie sollen junge Menschen in den heutigen Zeiten noch beruhigt Kinder bekommen? Mit dem Wissen, dass ihre Kinder eventuell in eine Kriegsgeneration reingeboren werden, welche das bloße Überleben zum Ziel hat?“ Er fordert: „Wir brauchen Investitionen in Bildung, in soziale Gerechtigkeit, in unsere Arbeitsplätze, statt kriegstreibende Machthaber und Diktatoren zu unterstützen. Während Politiker über militärische Stärke reden, kämpfen wir für sichere Löhne, für faire Arbeitsbedingungen – für ein Leben in Frieden.“

Gebhardt unterstreicht, die Gewerkschaften stünden seit jeher für Frieden: „Wir wissen: Krieg dient nie den einfachen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern – er dient immer nur denen, die an ihm verdienen. Deshalb beginnt unser Kampf für Frieden bereits im Alltag. Wenn wir uns gegen Hetze stellen. Wenn wir gegen Waffenexporte protestieren. Wenn wir klar sagen: Wir lassen uns nicht spalten – weder durch Nazi-Parolen noch durch Fake News.“

Aber die Mächtigen in dieser Welt spielen ein anderes Spiel, macht Gebhardt deutlich: „Wir erleben immer neue Milliarden für Panzer und Raketen – aber Kürzungen bei den Sozialleistungen. Ein Hochrüsten, dass die Welt an den Rand der Katastrophe bringt. Und ein System, das von Kriegen und Krisen profitiert, während wir mit den Folgen leben müssen.“ Die Gewerkschaftsjugend sagt deshalb: „Schluss damit! Kein Geld für Waffen – investiert in die Zukunft! Kein Wettrüsten – setzt auf Diplomatie! Keine Kriege für den Profit – setzt auf Solidarität! Denn es sind nicht die Reichen, die auf den Schlachtfeldern sterben. Es sind nicht die Konzernchefs, die in den Trümmern ihrer Häuser sitzen. Es sind Menschen, wie Du und ich.“

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