gemeinersamer Workshop

Mitbestimmung soll russisch werden

29.02.2012 | Vom 19. bis 20. Februar 2012 fand im russischen Kaluga ein gemeinsames Grundlagenseminar mit der "Überregionale Gewerkschaft der russischen Automobilarbeiter" (MPRA) und der "Gewerkschaft der russischen Landmaschinen- und Automobilarbeiter" (ASM) statt. Es war auf Bitten der russischen Kolleginnen und Kollegen zustande gekommen.

Ihr Interesse galt dem deutschen Modell der Mitbestimmung sowie den Strukturen und Arbeitsweisen der deutschen Gewerkschaften innerhalb und außerhalb der Betriebe.

MPRA und ASM sind seit der Inbetriebnahme des VW-Werkes in Kaluga am Standort aktiv, auch über VW hinaus. Dennoch finden sie hier ungleich schlechtere Bedingungen vor als die IG Metall an den deutschen VW-Standorten. Die Vorbehalte gegenüber den Gewerkschaften sind hoch. Zum einen besteht in den Belegschaften die Angst, durch Engagement berufliche Nachteile zu haben, zum anderen hängt dies mit der zweifelhaften Rolle von Gewerkschaften in der Sowjetunion zusammen. Das muss besonders die ASM erfahren, deren Wurzeln bis in die Zeit vor der Perestroika reichen.

Die MPRA wiederum ist eine junge Gewerkschaft, die ihre ersten Organisationserfolge bei Ford in St. Petersburg eingefahren hat. Im letzten Jahr konnten beide Gewerkschaften gute Fortschritte in der Mitgliederentwicklung verzeichnen. Die Situation bei Volkswa-gen in Kaluga wurde durch den Umstand erschwert, dass sich zwei Gewerkschaften im Werk um Mitglieder bemühten. Aber auch hier sind mittlerweile Fortschritte zu sehen. Aus einer anfänglichen Konkurrenzsituation entwickelten sich im Laufe der Zeit Formen der Zusammenarbeit.

Unsere russischen Kolleginnen und Kollegen erhofften sich von dem Workshop unter anderem Erkenntnisse und Anregungen zur Professionalisierung ihrer eigenen Gewerkschaftsarbeit. Das Seminar begann mit einer Einführung in die Geschichte der IG Metall, deren demokratischen Aufbau, die Strukturen innerhalb und außerhalb der Betriebe und einem ausführlichen Referat über tarifliche Grundsätze und Abläufe.

Auf große Resonanz stieß im Anschluss das Thema Vertrauensleutearbeit und deren Aufgaben in der IG Metall. Besonderes Interesse zeigten die russischen Kolleginnen und Kollegen auch am Thema VW-Kultur, an Fragen der qualifizierten Mitbestimmung, der konsensorientierten Problemlösung und der sozialen Verantwortung des Unternehmens.

Den Abschluss des Seminars bildete ein Rollenspiel, in dem ein Konflikt zwischen Management und Gewerkschaft simuliert wurde. Mit der fiktiven Einführung von 18 statt bisher 16 Schichten wollte das Unternehmen eine höhere Stückzahl an Fahrzeugen bauen lassen. Das Rollenspiel mündete in einen spannenden Verhandlungsprozess, in dem eine Kompromisslösung gefunden werden sollte.

Eine Erkenntnis aus diesem Rollenspiel war für die russischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Notwendigkeit, ihre Fähigkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation sowie in der Verhandlungsführung auszubauen. Daraus ergeben sich bereits erste Anregungen für einen geplanten zweiten Teil des gemeinsamen Workshops. Auch die guten Erfahrungen der IG Metall mit Mitgliederwerbung und Haltearbeit sollen Bestandteil des nächsten Treffens sein.