Internationale Gewerkschaftsarbeit

Interview mit Natalia Nikulova: "Wir haben die beste Regelung in der Region Kaluga"

20.09.2012 | Die WIR hat ein Interview mit Natalia Nikulova, internationale Sekretärin der unabhängigen Automobilarbeitergewerkschaft MPRA, zur Tarifauseinandersetzug und schließlichen Einigung bei Volkswagen in Kaluga geführt.

Natalia Nikulova

WIR:

Der Tarifkonflikt in Kaluga hat viele Monate gedauert. Was waren die Haupthindernisse für eine Einigung bei Volkswagen Group Rus?

Natalia Nikulova:

Ja, das waren mehr als 6 Monate. Das Problem war die Terminfindung mit VW Group Rus und die Lage der Verhandlungstermine, die teilweise weit auseinander lagen. Es bedurfte schon einer enormen Kraftanstrengung, einen vernünftigen Terminablauf mit dem Unternehmen vereinbaren zu können. Das zweite Problem war, dass dadurch der ganze Ablauf durcheinander gekommen ist. Das hat dann dazu geführt, dass wir uns für ein Schlichtungsverfahren nach russischem Recht entschieden haben.

WIR:

Wie sieht die Einigung mit Volkswagen Group Rus aus und was die die Kernpunkte?

Natalia Nikulova:

Wir sehen das Ergebnis sehr positiv. Es ist eine klassische Win-Win-Situation, denn es gibt jetzt finanzielle Sicherheit für die Belegschaft und Planungssicherheit für das Unternehmen. Das Ergebnis beinhaltet auch eine neue Lohnsystematik. Wir bekommen einen jährlichen Inflationsausgleich und jährlich 2% mehr Lohn und Gehalt bis 2015. Das wird von den russischen Kollegen sehr positiv gesehen. Des Weiteren bekommen die Beschäftigten jetzt einen Zuschuss bei Ihrer Hochzeit, bei Geburten und bei Todesfällen in der Familie. Auch das Problem der Samstagsarbeit steht vor einer Lösung. In einer gemeinsamen Kommission aus Management und Gewerkschaften, soll dieses Problem in naher Zukunft gelöst werden.

WIR:

Was haben sich für Lösungen in der gewerkschaftlichen Vertretung der Belegschaft bei VW Group Rus ergeben?

Natalia Nikulova:

Wir haben mit dem Unternehmen vereinbart, dass der Repräsentant der Gewerkschaft im Betrieb von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt wird und in Vollzeit seinen Aufgaben als Gewerkschaftsvertreter nachkommen kann. Das ist für uns ein sehr großer Fortschritt in den Bemühungen, unsere gewerkschaftlichen Strukturen auf- und auszubauen. Weiter bekommt unser Gewerkschaftskommitee die Möglichkeit, acht Stunden im Monat seinen gewerkschaftlichen Aufgaben nachzukommen. Auch unsere Bildungsarbeit, wie zum Beispiel Schulungen zu Arbeitssicherheit oder Gesundheitsschutz, können jetzt während der Arbeitszeit stattfinden.

WIR:

Wie haben die Beschäftigten das Ergebnis aufgenommen und wie ist die Reaktion der offiziellen Stellen?

Natalia Nikulova:

Unsere Kollegen sind mit der Einigung sehr zufrieden, denn wir haben die beste Regelung in der Region Kaluga. Diese Tarifverhandlungen wurden national aber auch international sehr genau beobachtet. Die Einigung ist ein gutes Signal für Russland und darüber hinaus. Es gibt keine offiziellen Statements zur Einigung, was wohl bedeutet, dass die Tarifeinigung auch bei den offiziellen Stellen auf Wohlwollen trifft.