Großdemonstration in Madrid gegen die Auswirkungen der Eurokrise in Spanien

27.09.2012 | Das "WIR-Magazin" sprach vor der Großdemonstration am 15. September in Madrid mit dem, spanischen Gewerkschaftskollegen Javier Pacheco, Vorsitzender der FED-Metall CC.OO - Catalunya und Mitglied im Ibero-amerikanischen Netzwerk.

Javier Pacheco

WIR: Die Wirtschaftskrise verlangt viele Opfer von unseren spanischen Kolleginnen und Kollegen. Wie beurteilen die spanischen Gewerkschaften die Situation?

Javier Pacheco: Wir können nichts anderes tun, als zusammenzustehen und zu kämpfen gegen die Auswirkungen der Krise. CC.OO und UGT sind gemeinsam dabei, die Arbeitnehmer und Bürger unseres Landes zu mobilisieren. Es handelt sich hier um eine brutale Finanzkrise, die unsere produktive Wirtschaft vollkommen gelähmt hat. Daraus resultieren auch die massiven Insolvenzen bei Klein- und Mittelbetrieben, die Verschuldung der Familien und der massive Rückgang im täglichen Konsum.

WIR: Welche Lösungen haben die spanischen Gewerkschaften und wie wollen sie das umsetzen?

Javier Pacheco: CC.OO und UGT haben die Großdemonstration am 15. September in Madrid zusammen organisiert. Damit haben wir klargemacht, dass diese Politik der konservativen spanischen Regierung von der Mehrheit der Arbeitnehmer abgelehnt wird. Ja, man kann auch sagen, von der Mehrheit des Volkes. Es kann nicht sein, dass die Schulden der maroden spanischen Banken sozialisiert werden und indirekt ein Zweites mal von der Bevölkerung bezahlt werden. Dagegen wehren wir uns und gehen auf die Straße. Unsere Vorschläge zur Lösung der Krise sind relativ einfach und doch sehr effektiv. Wir brauchen eine gemeinsame europäische Lösung für den immer schwerer zu kontrollierden Finanzsektor. Da müssen wir endlich Nägel mit Köpfen machen und den Moloch Finanzsektor an die Kette legen. Das Defizitkriterium von drei Prozent ist für Spanien in 2013 nicht zu realisieren und schafft nur neue Unsicherheiten in der Bevölkerung und die perfide Begründung für die Konservativen, weiterhin bei den Schwachen zu sparen. Im Sinne der Menschen wäre es eher, wenn endlich Steuerflucht und Steuerhinterziehung in Spanien stärker bekämpft würden. Bei diesem Thema sitzen die europäischen Gewerkschaften glücklicherweise in einem Boot. Wir zählen auf die Unterstützung der IG Metall und der anderen europäischen Gewerkschaften.

WIR: Die Arbeitslosigkeit in Spanien ist ernorm hoch, insbesondere unter den Jugendlichen. Wie sieht es in Katalonien aus?

Javier Pacheco: Sehr dramatisch! Seit dem Beginn der Krise im Jahr 2008 bis heute haben wir in der katalanischen Metall- und Elektroindustrie über 75.000 Jobs verloren. 3000 Insolvenzen mussten wir hinnehmen, insbesondere im Bereich der Automobilzulieferer. Das ist nicht nur dramatisch, das ist der Todesstoß für viele kleine Betriebe in der Region. Auch die Jugendarbeitslosigkeit ist sehr hoch - ich glaube die höchste in Europa. Konzepte dagegen greifen nicht, weil es ganz einfach keine Betriebe mehr gibt, die die jungen Menschen einstellen können. Ein wirklicher Teufelskreis für die junge Generation.

WIR: Was habt ihr an Visionen für die spanische Gesellschaft. Wohin muss die Reisegehen?

Javier Pacheco: Erstens: Das Ungleichgewicht zwischen den einzelnen Wirtschaftssektoren in Spanien muss endlich beseitigt werden. Wir müssen weg von Immobilien- und Dienstleistungswahnsinn, hin zu einer ausgeglichen Produktionsstruktur für das ganze Land. Zweitens: Die massive Verschlechterung des Kündigungsschutzes und andere sogenannte Reformen der Konservativen führen dazu, dass ganze Bevölkerungsgruppen und Regionen prekarisiert und von der gesellschaftlichen Entwicklung abgekoppelt werden. Das muss von der Regierung rückgängig gemacht werden.

WIR: Was sind die nächsten Schritte der spanischen Gewerkschaften?

Javier Pacheco: Wir werden den Druck auf die spanische Regierung weiter erhöhen, damit die Sparmaßnahmen gestoppt werden. Wir fordern die Regierung auf, ein Referendum durchzuführen. Wenn die Regierung das nicht will, werden wir für eine Volksabstimmungplädieren, wobei ich denke, dass alles auf einen Generalstreik hinauslaufen wird.

WIR: Javier, muchas gracias por la entrevista