Glunz AG in Nettgau

Detleff Bill und Dieter Pfeiffer im Interview

03.12.2013 | Mit über 2,5 Millionen Kubikmetern Holzwerkstoffen pro Jahr und rund 1.800 Mitarbeitern ist die Glunz AG ein bedeutender Hersteller im deutschsprachigen Raum. Die Glunz AG entwickelt und produziert u.a. konstruktive Werkstoffe für die Möbel- und Bauindustrie, Innenausbau - sowie Laden- und Messebau. Am Standort Nettgau arbeiten ca. 400 Beschäftigte und produzieren Spannplatten und OSB-Platten für die Möbel- und Bauindustrie.

Detleff Bill

Dieter Pfeiffer

WIR: Wie hat sich die Betriebsratsarbeit in den letzten Jahren bei Glunz entwickelt?

Detleff Bill: Die Betriebsratsarbeit bei Glunz war immer davon geprägt, die hohen gesundheitlichen Belastungen der Beschäftigten abzubauen und ihnen entgegenzuwirken. So ist es uns erstmalig im Jahre 2010 gelungen, die Vertretung für Schwerbehinderte zu wählen und auf der Konzernebene die Einführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements in den einzelnen Standorten im Jahre 2012 zu regeln. So dass jetzt auch die Ursachen ergründete werden können für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beschäftigten und diese dann abgestellt werden können. Ein weiterer wichtiger Punkt der Arbeit war und ist immer noch, den Unterschied bei der Bezahlung zwischen Sachsen-Anhalt und Niedersachsen zu beseitigen.

WIR: Was waren die größten Erfolge eurer Betriebsratsarbeit in den letzten Jahren?

Detleff Bill: Gerade in der Holzwerkstoffindustrie, wie auch bei der Glunz AG Werk Nettgau im Conti-Schichtbetrieb, sind die gesundheitlichen Belastungen der Beschäftigten sehr hoch. Im Jahr 2012 ist es uns dann gelungen, auch durch die enge Zusammenarbeit der Betriebsräte mit der IG Metall und der Technologieberatungsstelle (TBS), ein neues Schichtmodell mit längeren Erholungsphasen und kürzeren Arbeitsblöcken umzusetzen. Nachdem mit uns als Betriebsrat im Jahr 2010 noch über Pläne zur kompletten Ausgliederung der Instandhaltung diskutiert wurde, ist es in diesem Jahr endlich gelungen, die bereits zum Teil durch Fremdvergabe über Werkverträge und Leiharbeit ausgegliederte Instandhaltung wieder einzugliedern. Das ist ein Erfolg, der auf Grund der vom Betriebsrat nachgewiesenen Einsparungspotentiale erzielt wurde. Der positive Effekt für die übernommenen Mitarbeiter ist zudem, dass sie nach dem Tarifvertrag der Holzverarbeitenden Industrie (HVI) besser bezahlt werden als bei ihrem bisherigen Arbeitgeber und verlässliche Arbeitsbedingungen haben. Und last but not least: Für alle Mitarbeiter konnte die Zahlung von Kontoführungsgebühren durch Glunz durchgesetzt werden.

Dieter Pfeiffer: Ich möchte noch ein weiteres gutes Beispiel anführen. Im Jahre 2012 konnten wir, nach mehreren betrieblichen Aktionen, im Schlichtungsverfahren für die Holz- und Kunststoff verarbeitende Industrie Sachsen-Anhalt einen guten Kompromiss erzielen: Der Facharbeiterstundenlohn wird in vier Schritten zusätzlich zu den üblichen Tarifsteigerungen um 1 Euro erhöht. Beide Seiten verpflichten sich, über eine weitergehende Anhebung des durchschnittlichen Stundenlohns zu verhandeln. Ziel der IG Metall ist die Angleichung der Entgelte an das niedersächsische Niveau. Der Urlaubsanspruch wird erweitert, denn ab Januar 2014 haben die Beschäftigten Anspruch auf einen zusätzlichen Urlaubstag und ab Januar 2015 auf einen weiteren, so dass die Beschäftigten insgesamt 30 Tage Urlaubsanspruch haben. Ab Januar 2013 kann auf der Grundlage einer freiwilligen Betriebsvereinbarung die Arbeitszeit von 39 Stunden/Woche mit einem Teillohnausgleich auf 36 Stunden/Woche abgesenkt werden. Dieses Ergebnis ist der Einstieg, um die Lohnungerechtigkeit zwischen Ost und West nach über 20 Jahren der Wiedervereinigung zu beenden. Jetzt geht es darum, gemeinsam mit den Betriebsrat, die Geschäftsleitung davon zu überzeugen, die Arbeitszeitreduzierung für besonders belastete und ältere Beschäftigte zu nutzen, um dem demografischen Wendel Rechnung zu tragen.

WIR: Habt ihr Probleme mit prekärer Beschäftigung/Leiharbeit?

Detleff Bill: Gerade am Standort Nettgau wurde von Seiten der Geschäftsleitung von Beginn an auf Leiharbeit gesetzt. So gibt es heute noch Beschäftigte, die von Anfang an als Leiharbeitnehmer beschäftigt sind. In den letzten Jahren hat diese Praxis auch bei Stammarbeitsplätzen deutlich zugenommen. Zwar konnten wir im Jahr 2011 auf der KBR-Ebene eine Regelung zu gleichem Lohn bei gleicher Arbeit durchsetzen, aber erst jetzt hat uns der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, dieses bei Stammarbeitsplätzen zu verhindern. Doch leider müssen wir bei jedem Fall erst zum Arbeitsgericht.

WIR: Was würdet ihr euch von einer neuen Bundesregierung für die Betriebsratsarbeit wünschen?

Dieter Pfeiffer: Eigentlich ganz einfach. Ich würde mir wünschen, dass der Betriebsrat mehr Mitbestimmungsrechte bekommt, auch in der Frage des Einsatzes von Leiharbeitnehmern und bei der Vergabe von Werkverträgen. Ich würde mir vom Gesetzgeber eine Präzisierung der Frage der Dauer und der Bezahlung von Leiharbeitnehmern wünschen. Am wichtigsten ist aber zweifelsohne die Frage der Dauer der Beschäftigung als Leiharbeitnehmer. Diese Frage muss im Sinne der Menschen gelöst werden. Ein weiterer Punkt ist, dass den Betriebsräten mehr Mitspracherechte eingeräumt werden, wenn es um alterngerechte Arbeit geht, und beim Abbau von gesundheitlichen Belastungen. Insbesondere wenn es um physische und psychische Belastungen geht. Ein wichtiger Punkt gerade für die Beschäftigten am Standort Nettgau ist eine neue Regelung zu frühzeitigem Ausstieg aus dem Arbeitsleben für Beschäftigte, die unter extremen Belastungen arbeiten, wie z.B. im Conti-Schichtbetrieb.

WIR: Danke für das Gespräch.