Tarifrunde VW und VW-Töchter

VW-Auszubildende machen Druck mit großer Protestaktion

13.04.2021 | Das war ein genauso beeindruckendes wie deutliches Signal: Rund 250 Volkswagen-Auszubildende aus allen niedersächsischen Standorten trafen sich am Mittwoch in Wolfsburg, um ihren Forderungen in der aktuellen Tarifrunde noch einmal kräftig Nachdruck zu verleihen.

Per Autokorso von der Auto-Uni bis zum VW-Parkplatz an der Heinrich-Nordhoff- Straße, Kundgebung und DJ-Musik machten sie ihrem Ärger über die laufenden Verhandlungen Luft und sandten damit eine deutliche Botschaft an das Unternehmen. Und diese dürfte gehörtworden sein: Denn die Kundgebung samt lautem Hupkonzert fand in Sicht- und Hörweite des Markenhochhauses auf dem VW-Parkplatz an Tor 6 statt.

In einem Nebengebäude der Konzernzentrale wurde zeitgleich seit etwa 13 Uhr verhandelt. „Ich habe euren Autokorso schon bei den Verhandlungen gehört“, freute sich die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo, die während einer Verhandlungspause den Auszubildenden gemeinsam mit Betriebsratschef Bernd Osterloh und IG Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger einen spontanen Besuch abstattete. Die drei zeigten sich beeindruckt von der Aktion ihrer jungen Kollegen.

„Das sieht super aus. Auf die Jugend ist wie immer Verlass. Ihr wisst nicht nur, was ihr wollt, sondern seid auch bereit, dafür auf die Straße zu gehen und zu kämpfen. Danke, dass ihr hier seid“, wandte sich Cavallo von der Bühne an die Azubis. Und diese hatten tatsächlich keine Mühen gescheut. Sogar aus dem fernen Emden war eine Gruppe aus sechs Jugendvertretern angereist – wegen Corona gleich in drei Autos. Ob es die lange Fahrt wert sei? „Ja, auf jeden Fall. Es geht um die Zukunft!“ sagte einer von ihnen. Damit auch die restlichen Emdener Azubis die Veranstaltung miterleben konnten, streamten die Angereisten den Protest live über Instagram.

Dabei sein – ob online oder live – lohnte sich auf jeden Fall. Vor Tor 6 kehrte trotz strenger Hygieneregeln – so konnte die Veranstaltung ohne Auszusteigen im Autoradio verfolgt werden – fast so etwas wie Normalität ein. Ein Hauch von Festival-Stimmung lag in der Luft. Die jungen VW-Mitarbeiter hupten in ihren Autos zur Musikvon DJ Distrex, saßen vereinzelt auf den Autodächern und brachten teilweise sogar ihre Fahrzeuge zum Beben. Besonders laut wurde es immer dann, wenn die Azubis oder Gewerkschafts- und Betriebsratsvertreter sagten, was sie vom bisherigen Verhandlungsgebaren der Unternehmensvertreter halten. Und das ist nicht allzu viel.

Es sei „unverschämt und erbärmlich“, dass Volkswagen bisher noch kein vernünftiges Angebot vorgelegt habe, rief Lukas Ullrich, der stellvertretende Vorsitzende der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung seinen Kollegen zu. Von den selbst definierten VW-Grundsätzen Mut, Verantwortung und Zusammenhalt sei während dieser Tarifverhandlungen nichts zu spüren. Besonders die Forderunge der Jugend – eine Garantie der 1400 Ausbildungsplätze für die kommenden 10 Jahre, eine Aufnahme der praxisintegrierten Dual-Studierenden in den Tarifvertrag und die Zahlung der vollen Studiengebühren statt wie bislang nur 350 Euro – seien bisher einfach ignoriert worden. Dabei gehe es genau dort um die Zukunft des Unternehmens. „Wenn Volkswagen weiter oben mitspielen will, dann sollte man die Fachkräfte lieber selbst ausbilden, als teuer einzukaufen“, sagte Ullrich.

Dass die Aktion der Jugend am Mittwoch nötig war, bekräftigte auch nochmal der IG Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger. „Ich danke euch herzlich. Das ist genau der richtige Zeitpunkt“, rief er den Azubis zu. Es gebe zwar Bewegung in den Verhandlungen, das Unternehmen „pokere“ aber weiter und bewege sich nur mit „Trippelschritten“, gab er nach fünf Verhandlungsstunden  einen Zwischenstand. „Wir sind leider noch nicht durch, aber wir streiten weiter und haben genug Sitzfleisch“, versprach auch Daniela Cavallo. Eine lange Nacht stand den beiden da noch bevor. Auch zu Redaktionsschluss verhandelten die Tarifkommissionen noch.

Quelle: WOLFSBURGER ALLGEMEINE ZEITUNG 13.04.2021 – Seite 12