IG Metall-Chef: Gesetz zu Werkverträgen und Leiharbeit greift zu kurz

26.10.2016 | Der Bundestag hat am 21.10.2016 nach jahrelanger Debatte das Gesetz gegen Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen verabschiedet. "Das Gesetz greift zu kurz", erklärt der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Wolfsburg, Hartwig Erb. Geplant ist die Neuregelung zum 1. April 2017. Das neue Gesetz soll den Einsatz von Leiharbeit auf ihre Kernfunktion hin orientieren und den Missbrauch von Werkverträgen verhindern.

Hartwig Erb

Alleine in 2015 waren insgesamt 961.000 Menschen als Leiharbeiter beschäftigt, mehr als je zuvor.
Genaue Zahlen zu Arbeitnehmern, die mittels Werkvertrag eingesetzt sind, liegen dem statistischen Bundesamt nicht vor, weil der Gesetzgeber dies bisher nicht verlangte. Einer aktuellen Betriebsrätebefragung der IG Metall zur Folge, wurde diese Form der Fremdvergabe in den letzten Jahren auf hohem Niveau verfestigt und ausgebaut. Zwei von drei Betrieben vergeben Arbeiten per Werkvertrag fremd.

Das Gesetz sieht eine stärkere Trennung zwischen Leiharbeit und Werkverträgen vor. Somit können Beschäftigte mit Werkvertrag während ihrer Beschäftigung nicht mehr zu Leiharbeitsbeschäftigten "umdeklariert" werden, sodass einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung Grenzen gesetzt sind. Allerdings, so Erb, fehlt der ursprünglich vorgesehene detaillierte Katalog mit Kriterien zur Abgrenzung von missbräuchlichem und ordnungsmäßigem Fremdpersonaleinsatz - anders als noch in früheren Entwürfen des Arbeitsministeriums.

Mit der festgelegten Höchstüberlassungsdauer dürfen Leiharbeitnehmer künftig nur noch 18 Monate bei einem Entleiher eingesetzt werden. Es sei denn, im Tarifvertrag ist eine längere Einsatzdauer geregelt. Allerdings sollen für Firmen ohne Tarif Sonderregelungen in Form einer Betriebsvereinbarung möglich sein - sofern der Betriebsrat zustimmt. Erb: "Diese gesonderten Betriebsvereinbarungen wirken einer Stärkung der Tarifbindung entgegen und setzen Betriebsräte unter Druck."

Zudem bleibt das Problem der dauerhaften Besetzung von Arbeitsplätzen durch wechselnde Leiharbeitnehmer weiterhin bestehen, da die Höchstüberlassungsdauer an die Person und nicht an den konkreten Arbeitsplatz geknüpft ist. "Durch Festlegung einer maximalen Überlassungsdauer von 18 Monaten wird allenfalls der Wanderzirkus manifestiert, den Leiharbeiter von Entleiher zu Entleiher mitmachen müssen. Somit wird ein Leiharbeiter auch weiterhin wiederholt auf dem gleichen Arbeitsplatz eingesetzt werden können, sofern seit seinem letzten Einsatz beim Entleiher mindestens drei Monate vergangen sind", macht Erb deutlich.

Spätestens nach neun Monaten muss ein Leiharbeitnehmer so bezahlt werden wie die Stammbelegschaft. Dieser Equal-Pay-Grundsatz soll verhindern, dass Unternehmen Leiharbeiter dauerhaft einsetzen statt nur vorübergehend, um Auftragsspitzen abzufangen. Von einer gleichwertigen Bezahlung kann jedoch abgewichen werden, wenn in Tarifverträgen bereits Zuschläge für Leiharbeiter vereinbart sind. In diesem Fall muss spätestens nach 15 Monaten eine Gleichstellung erfolgen. Der IG Metall-Chef: "Unsere Forderung lautet nach wie vor gleicher Lohn für gleiche Arbeit vom ersten Tag an."

Des Weiteren erhalten Betriebsräte künftig das Recht, über Art und Umfang der Aufgaben von Werkvertragsarbeitnehmern im eigenen Betrieb informiert zu werden. Erb beanstandet: "Diese Informationspflicht ist jedoch nicht mit einem Mitbestimmungsrecht gleichzusetzen. An dieser Stelle ist die Mitbestimmung der Betriebsräte nicht ausreichend erweitert worden."

Auch für den Arbeitskampf gibt es Änderungen: Verdi hatte der Deutschen Post im zurückliegenden Arbeitskampf vorgeworfen, Leiharbeiter als Streikbrecher einzusetzen. Die derzeit im Gesetz vorgesehene Regelung, soll den Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher verbieten. Erb: "Dennoch: Betriebe, die sich im Streik befinden, können Leiharbeiter immer noch einsetzen, wenn die jeweilige Tätigkeit nicht üblicherweise von einem streikenden Stamm-Mitarbeiter geleistet wird."

"Insgesamt bleibt der Entwurf hinter den Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag und den früheren Vorlagen des Arbeitsministeriums zurück. Viele Missstände in der Leiharbeit haben sich inzwischen in den Bereich der zum Teil missbräuchlich genutzten Werkverträge verlagert. Bisher können Verträge zwischen Unternehmen als Werkverträge bezeichnet werden, obwohl in der Realität Leiharbeit betrieben wird. Gut ist, dass das neue Gesetz dieser Situation insbesondere durch die Pflichten zur Offenlegung der Arbeitnehmerüberlassung und die damit verbundene Abschaffung der sog. Vorratsverleiherlaubnis Rechnung tragen will. Arbeitgebern soll es somit zukünftig nicht mehr möglich sein, vermeintliche Werkverträge nachträglich doch noch als Leiharbeit auszuweisen und über diesen Weg zu legalisieren, was leider längst Realität im Betrieb ist", erklärt der Erste Bevollmächtigte abschließend. 

Gerne geben wir Ihnen ein Interview mit Praxisbeispielen, um das Gesetz näher zu erläutern. Aus unserer Sicht wurden in dieser zusammenfassenden Pressemitteilung lediglich offenkundige und oberflächliche Probleme skizziert. In einem solchen Interview könnte die IG Metall Wolfsburg ihre Forderungen für eine zukünftige Weiterentwicklung des Gesetzes klar zum Ausdruck bringen.