Jubiläum

IG Metall: 125 Jahre selbstbewusste Gegenmacht

20.06.2016 | Hannover - Jörg Hofmann: "Ohne Mitbestimmung, gelebte Tarifautonomie und einen aktiven Sozialstaat wäre das politische und ökonomische 'Erfolgsmodell Bundesrepublik' nicht möglich gewesen." Hartmut Meine: "Die IG Metall hat die demokratischen Grundpfeiler der Gesellschaft entscheidend mitgeprägt und zum Wohlstand beigetragen".

Fotos: Franz Fender

Die IG Metall vertritt die Interessen der Beschäftigten seit 125 Jahren. Seit 125 Jahren versteht sich die Gewerkschaft der Metallerinnen und Metaller als politische Gegenmacht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Kaum eine Organisation oder Partei kann auf eine derartig lange demokratische Wirkungszeit zurückblicken. Dies nahm die IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt zum Anlass, ihren Geburtstag gebührend zu feiern. Mehr als 500 Vertrauensleute, Betriebsräte und Vertreter aus Politik und Wirtschaft nahmen an der Feier am heutigen Samstag in Hannover-Langenhagen teil. Der Niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil würdigte in seinem Grußwort das demokratische Wirken der IG Metall.

Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, stellte fest: "Ohne Mitbestimmung, gelebte Tarifautonomie und einen aktiven Sozialstaat wäre das politische und ökonomische 'Erfolgsmodell Bundesrepublik' nicht möglich gewesen. Aber wir dürfen uns auf dem Erreichten nicht ausruhen. So stellen wir fest, dass die sozialen Unterschiede längst nicht überwunden sind - nein, sie wachsen sogar wieder." Eine entscheidende Gerechtigkeitsfrage für die Gesellschaft zeige sich am Grad der Tarifbindung.

"Nur gut jeder zweite Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie arbeitet in einem tarifgebundenen Betrieb. Das hat massive Auswirkungen auf Einkommen, Arbeitszeit und Urlaubsansprüche. Tarifbindung ist die entscheidende Stellschraube für mehr Gerechtigkeit - deshalb ist die Erhöhung der Tarifbindung unser zentrales Ziel." Dies sei auch erforderlich, um die digitale Revolution der Arbeitswelt im Interesse der Beschäftigten mitzugestalten. "Vor allem die Arbeitszeitpolitik steht dabei im Fokus und wir müssen neue tarifliche Lösungen finden für sichere und planbare Arbeitszeiten. Jede geleistete Stunde muss erfasst und vergütet werden - egal ob am Band, im Büro, auf Montage oder im Homeoffice. Unser Ziel ist ein Mehr an selbstbestimmter Arbeitszeit, die Platz gibt für individuelle Anforderungen wie Kindererziehung, Pflege oder berufliche Weiterbildung", sagte Hofmann.

Hartmut Meine, IG Metall Bezirksleiter für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, betonte in seiner Rede den tarifpolitischen und gesellschaftspolitischen Gestaltungsanspruch der IG Metall. "Das sind zwei Seiten einer Medaille: Wir streiten für gute Tarifbedingungen mit den Arbeitgebern und wollen die gesellschaftspolitischen Weichenstellungen entscheidend mitbestimmen. Die demokratische Basis für unser Engagement sind die Mitglieder in den Betrieben. Daher konnte die IG Metall die demokratischen Grundpfeiler der Gesellschaft entscheidend mitprägen und zum Wohlstand in der Gesellschaft beigetragen."

Meine zeigte sich zufrieden damit, dass die massiven Angriffe auf die Gewerkschaften und das Tarifvertragssystem der Vergangenheit angehören. Offensichtlich hätten die Arbeitgeber und auch die Politik verstanden, dass die Gewerkschaften nicht in eine Zuschauerecke verdrängt werden könnten. Die Politik forderte Meine auf, den Sozialstaat endlich wieder zu stärken und die historische Fehlentscheidung der Rente mit 67 zurückzunehmen. "Wenn die Ungleichheit in der Gesellschaft immer größer wird, wenn immer mehr Menschen keine Chance sehen ein auskömmliches Leben führen zu können, gefährdet das mittelfristig unser demokratisches System."

Im Rahmen der 125-Jahr-Feier der IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt thematisierte eine "Zeitreise" Themen der bundesrepublikanischen Geschichte. In einer Bildershow, in Videos, Interviews mit Zeitzeugen und einem musikalisch begleiteten Bühnenprogramm wurde beispielsweise auf den bundesweit ersten Streik nach dem Krieg in Hannover beim Tresorbauer Bode Panzer hingewiesen. Das politische Wirken des Ersten IG Metall Bezirksleiters in Hannover und späteren Ersten Vorsitzenden der IG Metall, Otto Brenner, wurde gewürdigt. Ehemalige "Gastarbeiter" berichteten über ihr Leben in Deutschland. Die Einführung der 4-Tage-Woche bei Volkswagen unter der Ägide des ehemaligen Ersten IG Metall Vorsitzenden und Bezirksleiters in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, Jürgen Peters, war ein Thema der "Zeitreise". Beispielhaft für andere Unternehmen der Engineering-Branche wurde über den Kampf für gute Tarifbedingungen bei der Firma Lenze berichtet. Zum Abschluss der "Zeitreise" fand eine Jugendaktion auf der Bühne statt.

(Presseinformation des IG Metall Bezirk Niedersachsen und Sachsen-Anhalt)