Schlaglichter - Gewerkschaftsentwicklung in Südafrika

Apartheidspolitik in Südafrika

Die Politik der konsequenten Rassentrennung wurde 1910 durch eine Vielzahl von Gesetzen eingeleitet, welche die Rechte der schwarzen Bevölkerungsmehrheit immer weiter beschnitten. Der "Mines and Works Act" von 1911 verpflichtete Schwarze zum Beispiel, ausschließlich niedere Arbeiten zu verrichten und garantierte damit die Verfügbarkeit billiger Arbeitskräfte. Der "Native Land Act" von 1913 erklärte 7,3 % der Fläche Südafrikas zu Reservationen für Schwarze und verbot ihnen, außerhalb dieser Gebiete Land zu erwerben.

1924 wurde in Südafrika der "Industrie Conciliation Act" (Industrieschlichtungsgesetz) verabschiedet: dadurch sollten die reibungslose Produktion und der Betriebsfrieden unter Ausschluss des Streikrechts gesichert werden; Arbeitsbedingungen und Löhne von Wanderarbeitern und Pendlern aus den "Homelands" (von der Regierung eingerichtete "Reservate" für Schwarze) wurden als Gegenstand von Tarifverhandlungen ausgeschlossen; Gewerkschaften konnten ihre Mitglieder nach ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht und Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsgruppe aussuchen und begrenzen. An Tarifverhandlungen durften nur "weiße" Gewerkschaften teilnehmen - bis zum Jahr 1979 wurden Tarifverhandlungen für Schwarze nur durch weiße Muttergewerkschaften geführt.

In den 50er Jahren begann die Ausweitung der Apartheidspolitik unter dem Motto "getrennte Entwicklung". Jetzt ging es nicht mehr "nur" um eine ökonomisch begründete Trennung der Rassen, sondern zunehmend wurde auch die Privatsphäre der nicht-weißen Menschen reglementiert und kontrolliert. Ehen zwischen verschiedenen Rassen wurden verboten. In allen öffentlichen Einrichtungen, Behörden, Verkehrsmitteln und sogar auf den Toiletten wurde die Rassentrennung eingeführt.

Seit 1994 ist in Südafrika nach jahrzehntelangem Kampf die bis dahin gesetzlich verankerte Apartheid abgeschafft. Die von der UN verhängten Sanktionen drängten das Apartheid-Südafrika mehr und mehr in die internationale Isolation. Der internationale Anti-Apartheidskampf war geprägt von öffentlichkeitswirksamen Aktionen zur Einhaltung der weltweit verhängten Sanktionen gegen Südafrika (z.B. "Kauft keine Früchte der Apartheid", "Shell betankt Apartheid"). Gewerkschaften, Kirchen, Schüler und Schülerinnen sowie Studenten und Studentinnen bildeten eine breite Koalition im Kampf gegen die Apartheid. Die Unterstützung durch internationale Solidaritätsgruppen wuchs. Auch die IG Metall war kontinuierlich an den jahrelangen Protesten beteiligt.

Die ersten freien und demokratischen Wahlen fanden 1994 statt. Erstmals waren alle Südafrikaner vor dem Gesetz gleich, unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihrer ethnischen, geschlechtlichen oder religiösen Zugehörigkeit. Die unterdrückte schwarze Bevölkerungsmehrheit Südafrikas hat in jahrzehntelangem politischem Kampf und Widerstand die Abschaffung der Apartheid durchgesetzt. Die südafrikanischen Gewerkschaften nahmen hierbei eine führende Rolle ein

"Schwarze" Gewerkschaften werden aktiv

Anfang der 70er Jahre begann der Aufbau unabhängiger schwarzer Gewerkschaften. Es kam zu einer Streikwelle, aber auch zu Massenverhaftungen. Schwarze Gewerkschaften waren dem Staat gefährlich, weil sie sich mit Themen befassten, die über Löhne und Arbeitsbedingungen hinausgingen. Je stärker sie sich in politische Angelegenheiten einmischten, desto schärfer wurden sie vom Staat verfolgt. Aber das Politische von gewerkschaftlicher Arbeit zu trennen war unmöglich. "In einer abnormen Gesellschaft kann es keine normalen Gewerkschaften geben", war der Slogan einer unabhängigen Gewerkschaft.

Die folgenden Jahre waren geprägt von Übergriffen und Verhaftungen schwarzer Gewerkschaftern. In Uitenhage, dem Sitz des VW-Werks, wurden Mitte der 80er Jahre 50 Menschen durch Übergriffe der Sicherheitsbehörden getötet. Systematisch machte die Polizei Jagd auf VW-Arbeiter und Gewerkschafter.

1979 wurde dann der erste Dachverband schwarzer unabhängiger Gewerkschaften FOSATU (Federation of South African Trade Unions) gegründet. Sechs Jahre später entstand der nicht-rassischen Dachgewerkschaftsverband COSATU (Congress of South Africa Trade Unions) mit 33 Einzelgewerkschaften und insgesamt 500 000 Mitgliedern. COSATU war ein wichtiger Teil des Widerstandes gegen das Apartheidsystems

Interessenvertretung bei "Volkswagen of South Africa"

Die Volkswagenwerk GmbH erwarb 1956 erste Aktienanteile des Generalimporteurs "South African Motor Assemblers und Distributors Ltd. (SAMAD)". 1966 wurde die SAMAD in "Volkswagen of South Africa Ltd." umfirmiert.

Die 1976 gegründete Automobilarbeitergewerkschaft NAAWU (National Automobile and Allied Workers' Union), die bis 1979 verboten war, wurde 1980 als Gewerkschaft und Interessenvertretung von Volkswagen Südafrika anerkannt – nach langem Kampf der schwarzen Arbeiter, unterstützt durch den VW Gesamtbetriebsrat, die IG Metall und den IMB. Fünf ganztätig freigestellte gewerkschaftliche Vertrauensleute (full-time shop-stewards) und 24 weitere shop-stewards vertraten nun die Kolleginnen und Kollegen im Betrieb.

Ein wichtiges Ereignis, das herausragend die Einigungskraft der Gewerkschaftsbewegung demonstriert, war die Gründung der Metallarbeitergewerkschaft NUMSA (National Union of Metalworkers of South Africa),. Nach dem Motto "One Industry, One Union", schlossen sich 1987 die bedeutendsten Gewerkschaften aus der Branche, u.a. auch die NAAWU, zusammen. Die NUMSA repräsentierte erstmalig alle in Südafrika vertretenden Volksgruppen und vertritt heute die Interessen der VW-Arbeiter in Südafrika.

Volkswagen erkennt "Mindeststandards für Südafrika" an

1989 hat Volkswagen als eines der ersten bundesdeutschen Unternehmen die "Mindeststandards für Arbeitsbeziehungen und Arbeitskonflikte" für südafrikanische Tochtergesellschaften deutscher Unternehmen anerkannt. Diese gemeinsamen Forderungen wurden von der IG Metall und dem IMB entwickelt.

"Die Notwendigkeit der Vereinbarung ergibt sich daraus, dass in der Republik Südafrikas die elementarsten Menschenrechte der schwarzen Bevölkerung gröblich missachtet werden und die Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen, insbesondere die gewerkschaftliche Betätigung, behindert wird und jederzeit unterdrückt werden kann." (aus der Vereinbarung der "Mindeststandards für Arbeitsbeziehungen und Arbeitskonflikte")

Damit werden bis auf wenige Ausnahmen bereits in der Praxis respektierte Gewerkschaftsrechte vertraglich mit der unabhängigen Metallgewerkschaft NUMSA geregelt.

(April 2005)